MZ testet Radwege in Halle MZ testet Radwege in Halle: Gut, aber noch nicht gut genug

Halle - Das nasskalte Wetter lädt nicht unbedingt zum Radfahren ein. Dennoch nutzen im Herbst viele Hallenser den Drahtesel als Ersatz fürs Auto oder die Straßenbahn. Auch viele Studenten sind nach dem Semesterstart wieder zum ersten Mal auf Halles Radwegen unterwegs. Aber wie fährt es sich da eigentlich? Das lässt sich am besten mit dem Fahrrad herausfinden.
Um zehn Uhr geht es bei grauer Wolkendecke und Nieselregen in Halles Norden los. Auf der Trothaer Straße liegt der Radweg auf der Hauptverkehrsstraße. Neben den Autos und der Straßenbahn fährt es sich ganz gut - solange kein Lkw neben einem steht. Dann kann es schon mal eng werden. Die Stadt Halle hat die Straße positiv bewertet: „Gute Bedingungen für den Radverkehr“, heißt es im Umsetzungsstand vom Februar 2013.
Fahren mitten im Straßenverkehr
Am Zoo müssen sich Radfahrer ihren Weg zwischen dem Haltestellenhäuschen und der Zoo-Mauer suchen. Platz ist zwar da, aber der soll für Radfahrer und Fußgänger gleichsam reichen. Weiter südlich der Reilstraße entlang liegt der Radweg fern ab der Straße und genügend Platz für die Fußgänger besteht auch. Stefanie Melzer fährt gerade die Reilstraße in Richtung Süden und kennt die Strecke durch ihre täglichen Radtouren zwischen dem Universitätsklinikum Kröllwitz und der Magdeburger Straße: „Manchmal stehen zwar auch Autos halb auf dem Radweg. Aber insgesamt fährt es sich hier ganz gut“, sagt die 28-Jährige. Schwieriger sei da die Große Brunnenstraße. Dort fahre man mitten im Straßenverkehr. Was sie gut finde, dass bei neuen Straßenbauarbeiten an die Radwege gedacht werde.
Auch Felix Schmutzer fährt oft mit dem Rad, im Sommer fast täglich, jetzt im Herbst eher seltener. Der Radiomoderator nutzt vor allem seit drei Jahren sein Rennrad in Halle. „Definitiv ausbaufähig sind der Robert-Franz-Ring und die Burgstraße“, findet er. Auch nerven ihn wachsende Wurzeln auf manchen Wegen. In der Großen Ulrichstraße stört ihn, dass es gar keinen Radweg gibt und man dort direkt neben den Autos und der Straßenbahn fährt. Auf Anfrage bei der Stadtverwaltung heißt es, dass im Zuge der Radverkehrskonzeption nächstes Jahr unter anderem der Robert-Franz-Ring saniert wird und mit Markierungen versehen werden soll. Die Große Ulrichstraße sei bereits durch eine neue Fahrbahnoberfläche im nördlichen Teil verbessert worden. Auf der nahe gelegenen Bernburger Straße arbeitet Kay Schwinzer im „fahrradies“. Der 27-Jährige fährt zwei bis drei Mal die Woche mit dem Rad. Seiner Meinung nach haben sich die Straßen in den letzten Jahren schon verbessert, besonders in der Ludwig-Wucherer Straße. Direkt gegenüber des Radgeschäfts wurde allerdings die Markierung für den Radweg auf dem Bürgersteig wieder entfernt. Die heute teerfarbenen Reste zeigen die kurzen Abstände zwischen den Fußgängern und den einst hier fahrenden Fahrradfahrern. „Seitdem weichen die Radfahrer auf die Straße aus, die ohne Markierung und wegen der Straßenbahn sowie dem Lieferverkehr nicht einfach zu befahren ist“, so Schwinzer.
Wie verhält man sich als Radfahrer in so einer Situation? Anja Koppsieker, Pressesprecherin der Polizei empfiehlt, die Straße einspurig zu befahren: „Dann nutzen Sie die Fahrbahn und zwar bitte einzeln hintereinander“.
Abgetrennter Fahrradweg sorgt für Sicherheit
In Richtung Steintor lässt es sich auf der Ludwig-Wucher-Straße gut fahren, solange kein parkendes Auto seitlich den Weg schneidet. Kurz vor dem Steintor hört der Radweg auf. Hier kommt man trotz Bauarbeiten in Richtung der Berliner Straße weiter. Diese ist für Radfahrer ausgebaut. Auf der Steintorbrücke bietet ein abgetrennter Fahrradweg auf dem Bürgersteig Sicherheit vor dem Autoverkehr.
Komplizierter wird es rechter Hand vom Bahnhof in der Freiimfelder Straße. Auf dem Bürgersteig befindet sich kein Radweg, dafür ein enger Parkplatzstreifen. Auf der Straße selbst behindern Schlaglöcher und wenig Platz die Fahrmöglichkeiten. Die anschließende Delitzscher Straße schafft durch ihre Breite wiederum genügend Raum für Radfahrer. Seperate Wege und Markierungen ermöglichen ein sicheres Vorankommen.
Seit der Radverkehrskonzeption von 1995 habe sich einiges getan in Halle, sagt Volker Preibisch, Vorsitzender des ADFC Sachsen-Anhalt. „Wir haben einen städtischen Radverkehrsbeauftragten, der einzige übrigens in Sachsen-Anhalt“, so Preibisch. Leider seien nach wie vor viele Radwege marode, zu eng oder uneben. Das liege daran, dass die Radwege nur verbessert werden, wenn ohnehin die komplette Straße saniert werden müsse, so der ADFC-Vorsitzende.
Lars Loebner, Planungsleiter der Stadt, erklärt dazu: „Darüber hinaus sollen auch Radwege unabhängig von Straßenbaumaßnahmen hergestellt werden“. Zu den Kosten für die neuen Radwege äußerte sich die Stadt Halle nicht konkret. Die Finanzierung erfolge projektbezogen, zum Beispiel im Rahmen der jeweiligen Baumaßnahme.
Fehlender Platz für gute Radwege
Preibisch bemängelt zudem den fehlenden Platz für gute Radwege. Bei Straßenbauarbeiten habe das Auto Priorität, danach komme die Straßenbahn und zuletzt das Fahrrad. Das führe dazu, dass bei vielen Radwegen nicht die angemessene Breite von 1,50 Meter bis 2 Meter eingehalten werde, sondern wie in der Merseburger Straße zur Zeit teilweise nur 80 Zentimeter, so Preibisch. Nicht nur gute Straßen, auch sichere Fahrradstellplätze sind wichtig. Zwischen 2010 und 2014 hat die Stadt Halle allein 900 neue Abstellplätze geschaffen. Gestohlen wurden laut Polizeistatistik letztes Jahr 2 271 Fahrräder. Das sind 500 mehr im Vergleich zum Vorjahr, Tendenz steigend. Aufgeklärt wurden letztes Jahr 7,6 Prozent der gemeldeten Diebstähle. Wenn das Rad weg ist, hilft unter anderem die Rahmennummer des Herstellers. Eine Registriernummer der Polizei macht zusätzlich Sinn: „Das schützt sicherlich nicht unmittelbar vor einem Diebstahl, kann aber dazu führen, dass das Rad erst gar nicht geklaut wird. Codierte Räder können einfach schwerer weiter verkauft werden und haben einen geringeren Absatzmarkt“, erklärt die Pressesprecherin der Polizei. Solange das Rad noch da ist, kommt man damit im Schnitt ganz gut durch die Stadt. Mal ist es eng, mal ist es holprig - aber es wird auch gebaut. Neue Radwege wie in der Kröllwitzer Straße und sanierte Fahrbahnen wie am Rennbahnkreuz zeigen, dass es voran geht. (mz)

