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MZ-Test MZ-Test in Halle: Lohnen sich Elektroautos in der Saalestadt?

Von Oliver Müller-Lorey 01.06.2016, 04:00
Besser nicht ohne Einweisung losfahren: E-Auto-Experte Peter Kolbert (l.) erklärt Testfahrer Oliver Müller-Lorey die Technik.
Besser nicht ohne Einweisung losfahren: E-Auto-Experte Peter Kolbert (l.) erklärt Testfahrer Oliver Müller-Lorey die Technik. Günter Bauer

Halle (Saale) - Gäbe es ein Auto, das man kostenlos volltanken könnte, für null Cent pro Kilometer, mit dem man vier Stunden kostenlos in der Innenstadt parken könnte und bei dessen Kauf man 4.000 Euro geschenkt bekäme - müsste das nicht ein Verkaufsschlager sein?

Solche Autos gibt es: Elektroautos. In Halle sind sie aber noch kaum verbreitet. Woran liegt das? Wie gut kommt man in der Saalestadt als Fahrer eines E-Autos überhaupt zurecht? MZ-Volontär Oliver Müller-Lorey hat das einen halben Tag lang getestet.

Auto ist nicht zu hören

Beton, Asphalt, Kopfsteinpflaster - erst in einem Elektroauto wird einem bewusst, wie viele verschiedene Beläge Halle Straßen decken. Denn die Reifen auf der Straße sind das einzige, was im Auto zu hören ist. Der Motor des Elektro-Ford-Fiesta springt auf Knopfdruck an, doch auch davon hört man nichts. Man kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob er überhaupt läuft. Selbst beim Beschleunigen ist allenfalls ein leises Surren zu hören.

Das fehlende Motorgeräusch führt schon nach einer halben Stunde zu einer gefährlichen Situation in der Geiststraße. Dort hört eine Gruppe Radfahrer das von hinten kommende Elektroauto nicht. Auch wenige hundert Meter weiter, vor der Harz-Mensa, gehen Studenten nicht aus dem Weg, obwohl das Auto knapp hinter ihnen rollt. Sie hören es schlichtweg nicht. Klar, man könnte einfach hupen. Oder ein bisschen Geduld zeigen.

Fest steht: Das Fahren mit dem Elektroauto - man kann es nicht anders sagen - macht einfach Spaß. Obwohl der Motor nur 60 PS liefert, ist die Beschleunigung enorm. Selbst Oberklassewagen haben an der Ampel das Nachsehen. Oft als Öko-Kutsche belächelt, zeigt das Elektroauto auf der Straße, wie viel Kraft in ihm steckt.

Ungewohnt ist allerdings auch das Fahrgefühl beim Langsamwerden. Bei normalen Autos geht durch die Motorbremse viel Energie verloren, so dass der Fahrer vor einer roten Ampel kaum bremsen muss - das Auto wird von alleine langsamer. Dieser Motorwiderstand ist im Elektroauto viel geringer. Deshalb rollt das Auto auch ohne Bremse noch Hunderte Meter weiter. Daran muss man sich gewöhnen.

Viele Ladesäulen

Gerade einmal 26 Elektroautos sind in Halle derzeit zugelassen. In Magdeburg sind es immerhin schon 32. Selbst im Landkreis Harz sind mehr E-Autos angemeldet als in Halle. Dabei werben die Stadtwerke massiv mit ihrem Angebot für Elektroautos.

An 14 Orten in der Stadt stehen Ladesäulen, oft kombiniert mit einem Parkplatz, der vier Stunden lang kostenlos nur von Elektrofahrzeugen genutzt werden darf. Jede Strom-Tankstelle hat zwei Stecker-Anschlüsse, sodass stadtweit theoretisch 28 Autos gleichzeitig „tanken“ könnten. „Die EVH hat die meisten Ladestationen in Sachsen-Anhalt“, sagt Peter Kolbert, der Projektmanager in der Abteilung Elektronik und Kommunikationssysteme ist. Der Strom aus Stadtwerke-Tankstellen stammt übrigens aus erneuerbaren Quellen. Aber die Stadtwerke sind nicht die einzigen Betreiber von Strom-Tankstellen.

Am Ende der Europachaussee stellt ein Renault-Autohaus eine solche Tankstelle zur Verfügung - zu erstaunlichen Konditionen. „Jeder kann hier vorbeikommen, und wir dürfen für das Tanken nichts berechnen“, sagt Winfried Rohloff, Kundendienstleiter des Autohauses. „Nur Energieversorger dürfen Strom verkaufen“, sagt er. Das heißt im Klartext: Tanken geht dort zum Nulltarif.

Unkomplizierte Bedienung

Nicht immer ist das Tanken an den Strom-Säulen so einfach. Wie wenig Verständnis die Hallenser für Elektroautos haben, wird gegen Mittag am Uniring klar. Die beiden für E-Autos reservierten Plätze sind dort von normalen Autos zugeparkt. Also geht es zu einer anderen Ladesäule. Mit einer Benutzerkarte im Scheckkartenformat wird die Ladestation freigeschaltet. Das Kabel lässt sich leicht ins Auto und die Säule einstecken.

Abgerechnet wird bei den Stadtwerken nach Stromverbrauch. Laut Projektmanager Kolbert waren die Stadtwerke Halle mit die ersten, die nicht nach Zeit, sondern Verbrauch abrechneten. Eine Kilowattstunde kostet 50 Cent. Der Preis sinkt jedoch, wenn man ein Havag-Abo hat oder EVH-Stromkunde ist, auf bis zu 35 Cent pro Kilowattstunde. Die Bedienung der Ladesäulen ist einfach, doch der Ladevorgang selbst dauert eine gefühlte Ewigkeit.

Lange Ladezeit

Obwohl der Test erst anderthalb Stunden dauert und das Auto gerade einmal 22 Kilometer gefahren ist, beträgt die Ladezeit gut anderthalb Stunden. Besonders die Klimaanlage und hohe Geschwindigkeiten haben die Batterie schnell leerer werden lassen. Später zeigt sich: Ist die Batterie noch leerer, kann der Ladevorgang auch schon einmal drei oder vier Stunden dauern. In dieser Zeit in einem Supermarkt mit Ladesäule einkaufen zu gehen, ist dann eigentlich keine Option mehr.

Das Elektroauto eignet sich deshalb vor allem für Eigenheimbesitzer. Denn sie können es nachts an der eigenen Ladestation im Carport auftanken. Wer keine langen Strecken etwa nach Berlin fahren muss, für den ist ein Elektroauto eine gute Alternative, um lautlos durch Halle zu kommen. (mz)

Das Elektroauto für den Test wurde durch die Stadtwerke Halle zur Verfügung gestellt.

Auf der Geiststraße wird es gefährlich: Weder Fußgänger noch Radfahrer hören das lautlose Elektroauto.
Auf der Geiststraße wird es gefährlich: Weder Fußgänger noch Radfahrer hören das lautlose Elektroauto.
Günter Bauer
Stecker rein: Der Ladevorgang selbst ist kinderleicht - dauert aber leider auch eine kleine Ewigkeit.
Stecker rein: Der Ladevorgang selbst ist kinderleicht - dauert aber leider auch eine kleine Ewigkeit.
Günter Bauer