Musik hören, aber andersMusik hören, aber anders: Konzert für gehörlose Menschen mit Cochlea-Implantat

Halle (Saale) - Ist von Barrierefreiheit die Rede, denken die meisten an rollstuhlgerechte Gebäude, Markierungen an Bordsteinkanten oder akustische Ampelsignale für Sehbehinderte. Aber auch Menschen mit einer Hörbehinderung stehen manchmal vor Barrieren - auch wenn diese nicht sichtbar sind. Träger eines Cochlea-Implantats (kurz CI), mit dem Menschen mit hochgradigem Hörverlust dank hochmoderner Technik wieder hören können, haben zum Beispiel dennoch Schwierigkeiten, bei Konzerten entspannt der Musik zu lauschen.
„Das Hören verschiedener Tonhöhen, vor allem mit Instrumenten erzeugter Töne, ist für CI-Träger sehr anstrengend, denn es erfordert sehr viel Konzentration“, weiß Professor Dr. Torsten Rahne, Physiker und Technischer Leiter der Audiologie sowie des Halleschen ImplantCentrums am Universitätsklinikum Halle, an dem intensiv an der Weiterentwicklung hochsensibler Hörakustik gearbeitet und geforscht wird.
CI-Träger hören zwar, aber anders
Das unter die Haut gesetzte Implantat, erklärt der 38-Jährige, sei für das Sprachverstehen entwickelt worden und funktioniere da auch gut, aber eben nicht fürs Musik hören. CI-Träger hören zwar, aber anders. „Stimmen klingen für sie etwas technisch, roboterhaft und künstlich, der CI-Träger muss das Hören regelrecht trainieren“, so Rahne.
Damit auch Hörgeschädigte in den Genuss von konzertanter Musik kommen können, hat Rahne ein Konzert für eben diese Personengruppe organisiert - bereits zum zweiten Male. Im halleschen Universitätschor „Johann Friedrich Reichardt“ unter Leitung von Jens Lorenz hat Rahne einen hervorragenden Partner für das nicht ganz unkomplizierte Unterfangen, das am Donnerstagabend in der Laurentiuskirche stattfindet, gefunden.
Konzert stellt an die Technik ganz besondere Anforderungen
„Ein solches Konzert stellt an die Technik ganz besondere Anforderungen“, so Rahne, selbst Chorleiter der Neuapostolischen Gemeinde in seiner Heimatstadt Dessau. Damit das Konzert zu einem Klangerlebnis für Hörbehinderte wird, werden zum einen sämtliche Hintergrundgeräusche eliminiert, indem der Sound per Funk oder über Bluetooth direkt in das Innenohr-Implantat übertragen wird. So gelangt der reine Klang der Chorstimmen und der Instrumente zum Hörer.
Auch werden die Stücke zunächst einstimmig und anschließend mehrstimmig vorgetragen, damit die Melodieführung leichter erkennbar ist. Als Solo-Instrument haben Rahne und Lorenz nun, nachdem beim ersten Konzert im vergangenen Jahr Orgel und Klavier vertreten waren, die Harfe ausgewählt. Die dritte Besonderheit: „Die Liedtexte werden durch einen Dolmetscher in die Gebärdensprache übersetzt“, so Rahne, der für das kostenintensive Konzert mehrere Sponsoren gewinnen konnte.
Zur Einstimmung gibt es Stollen und Glühwein
„So ist es uns möglich, das Konzert, zu dem wir auch nicht-hörgeschädigte Angehörige begrüßen, kostenlos anbieten.“ Und da zum Adventskonzert geladen wird, gibt es zur Einstimmung Stollen und Glühwein.
Auch künftig will Torsten Rahne, der seit 2008 am Klinikum arbeitet und gemeinsam mit Professor Dr. Stefan Plontke, Direktor der halleschen Uniklinik und Poliklinik für HNO, Kopf- und Halschirurgie, das ImplantCentrum aufgebaut hat, solche oder ähnliche Konzerte organisieren - für ein Hörerlebnis der ganz besonderen Art. (mz)