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Musentempel in Halle Musentempel in Halle: Der lange Kampf ums Capitol

Von Detlef färber 26.03.2015, 19:22
Die beliebte Tanzdiele ist derzeit nur durchs Gitter zu betrachten.
Die beliebte Tanzdiele ist derzeit nur durchs Gitter zu betrachten. Silvio Kison Lizenz

Halle (Saale) - Was für ein Name! Das Herz der amerikanischen Demokratie schlägt und das Herz des römischen Weltreichs schlug an einem Ort namens Capitol. Da muss schon sehr große Ziele haben, wer sein Haus genauso nennt: mindestens das Ziel, kulturelles Zentrum für ein großes Gebiet zu sein.

Das Capitol in Halles mittlerem Süden hatte dieses Ziel - und hat es zumindest in den 1990er Jahren auch glanzvoll erreicht, als sich hier Weltstars und angehende Pop-Größen die Klinke in die Hand gaben. Und als Dutzende Autos mit Leipziger und Berliner Kennzeichen die Bürgersteige ringsum zuparkten. Damals nämlich war das Haus in der Lauchstädter Straße einer der kulturellen Geheimtipps in Mitteldeutschland - ach was, in Ostdeutschland! Lange ist’s her.

Schließung wegen mangelhafter Elektronik

Letzte Woche war das Capitol dann plötzlich wieder Thema: auf weniger glanzvolle Weise freilich. Betreiber Alexander Polzin verkündete die Schließung des Hauses, sprich „Einstellung des Geschäfts“. Und am Donnerstag lieferte er eine detaillierte Begründung nach. In deren Mittelpunkt steht eine laut Polzin „überlastete und nicht mehr zeitgemäße Elektroinstallation“. Namens der auswärts lebenden Eigentümerin sagt deren Bruder Wolfram Küßner, man werde die Anlage und andere angezeigte Mängel überprüfen und reparieren lassen.

Hinter diesem - nun öffentlich ausgetragenen - Vermietungsstreit stehen aber wohl unüberbrückbare Gegensätze. Es geht auch um einen schon länger geplanten Verkauf des Hauses. Polzin selbst wollte es einst kaufen. Doch nun will er wohl nur noch raus aus seinem bis Ende 2016 laufenden Mietvertrag. Die Eigentümerin sucht weiterhin nach einem Käufer und/oder Betreiber. Interessenten gibt es offenbar.

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Allerdings war der Kampf um den Erhalt des Capitols schon immer hart. Das lässt sich allein an der Vielzahl von Konzeptionen ablesen, die die Geschichte dieses Hauses geprägt haben. 1906 als Reithalle erbaut, war schon keine 20 Jahre später der erste Total-Umbau fällig. Denn die große Zeit der Reiterei war vorbei und die große Zeit des Kinos begann. Das Capitol wurde Lichtspieltheater - gestaltet nach dem avantgardistischen Entwurf des Architekten Walter Thurm. Halles schickstes Kino blieb das Capitol dann bis in tiefste DDR-Zeiten. Damals war es an den Wochenenden auch Tanzdiele. Und dann verfiel und vergammelte das Haus synchron mit der ganzen Stadt und dem ganzen Land.

Magischer Abend mit Helge Schneider

Gleich nach der Wende wurde es verkauft, und die jetzigen Besitzer machten sich an die Rettung des Gebäudes - sanierten und bespielten es gleichzeitig. Nach der Fertigstellung war es Schauplatz zahlloser Sternstunden der Unterhaltungskunst. Tamara Danz gab mit „Silly“ eins ihrer letzten Konzerte. Die Fantastischen Vier („Ist es die da?“) nahmen hier eine der Stufen ihres Aufstiegs. Eine gewisse Désirée Nick begann hier auf der Kleinkunstbühne im Obergeschoss ihren langen Weg in Richtung TV-Dauergast. Und schließlich machte ein in unserer Gegend noch wenig bekannter westfälischer Jazzer namens Helge Schneider im halleschen Capitol Station auf seiner Komiker-Coming-out-Tournee Station, mit seinem erst kurz zuvor erschienenen Blödel-Mega-Hit „Katzeklo“: Ein magischer Abend!

Dann kamen die Bluesbrothers, Rockjazz-Röhre Chris Farlowe von Colosseum, Toto, Roger Chapman, Ginger Baker und noch viele ganz Große mehr. Bis sich die Zeit der größten Sehnsucht der Hallenser nach den fernen West-Stars ihrer Jugend allmählich dem Ende näherte. Und das Capitol mit seinem damaligen Betreiber Wolfram Küßner nach neuen Konzepten suchte. Es gab dann Talkshows, wieder Kino, Themenpartys und vieles mehr. Es folgten neue Betreiber, neue Ideen, neue Erfolge, neue Enttäuschungen. Und es gab neue Konkurrenz in Form von neuen Clubs - und immer neue Party- und Band-Generationen.

Wird das Capitol deren Bühne bleiben? Zu wünschen wär’s gerade den Jungen, dass sie in einem Haus feiern dürfen, das viel zu geben hat. Und viel erzählen könnte. (mz)

Einst spielten hier Legenden wie Tamara Danz.
Einst spielten hier Legenden wie Tamara Danz.
Lutz Winkler Lizenz