Mit dem Seitenwagen um die Welt Mit dem Seitenwagen um die Welt: Aufbruch ins Ungewisse

Halle (Saale) - Viel zu packen hatten sie nicht, so dass das geflügelte Wort vom „Sitzen auf gepackten Koffern“ für die fünf Hallenser, die mit ihren Seitenwagen-Maschinen auf Weltreise gehen wollen, nicht ganz passt (MZ berichtete). Zumal auch keine Koffer im Spiel sind, wenn Anne Knödler, Elisabeth Oertel, Lisa Müller, Johannes Fötsch und Sven Klatt am Sonntagnachmittag mit ihren schweren Motorrädern Marke „Ural“ und so wenig Gepäck wie möglich von Halle aus in die Welt aufbrechen werden.
„Endlich“, sagt Lisa Müller, die es wie die anderen vier jungen Künstler kaum noch erwarten kann, zu starten. Freitagabend gab’s noch eine Riesen-Abschiedsparty in Halles Osten, am Samstag wird ausgeschlafen, und am Sonntag Punkt 15 Uhr knattern die Maschinen vom Hof. New York ist das Ziel der ungewöhnlichen Truppe, die sich weniger als Weltreisende, vielmehr als Künstlergruppe auf Reisen betrachtet. In zwei Jahren wollen sie auf dem Landweg New York erreichen: 30 000 Kilometer durch Europa und Asien, über 23 Ländergrenzen hinweg, über die Beringstraße nach Alaska, durch Kanada an die West- und schließlich an die Ostküste der USA.
Atelier wird nach draußen verlegt
Doch auch wenn New York das Ziel der Reise ist - der Sinn liegt nicht allein darin, die Stadt zu erreichen. „Wir verlegen quasi unser Atelier nach draußen“, so Johannes Fötsch, der wie Anne Knödler und Elisabeth Oertel Keramik an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein studiert hat. Keiner der Fünf weiß wirklich, was ihn erwartet auf der langen Reise, die sie als „künstlerische Arbeit, als künstlerischen Prozess“ betrachten.
Für diverse praktische Probleme haben sie natürlich vorgesorgt: „Inzwischen können wir an unseren Motorrädern fast alles selbst reparieren“, sagt Theaterplastiker Sven Klatt. Und wenn nicht - auf Tour wird ihnen geholfen, da sind sie sich sicher. „Wir reisen nicht als Schickimicki-Touristen, sondern suchen den Kontakt zu den Einheimischen “, so Elisabeth Oertel. Von ihnen erhoffen sich die Globetrotter auf drei Rädern auch regelrechte Überlebenstipps - sei es für die Wüste, sei es für Eis und Schnee.
Erstes Ziel ist Georgien. „Bis spätestens 23. Oktober müssen wir in Russland sein - wegen des Visums“, so Johannes Fötsch. Dort will sich das Quintett einschneien lassen und überwintern. Im wenigen Gepäck, verstaut in blauen, verschraubbaren Plastiktonnen, haben die Hallenser neben ein wenig Bekleidung auch Russisch-Lehrbücher. So ganz unbekannt ist zumindest zwei der fünf Weltreisenden die russische Sprache dank des Schulunterrichts nicht - der Rest wird an langen Winterabenden gelernt.
Telefonjoker für alle Fälle
„Je nachdem, wie der Winter wird, geht’s im März oder April weiter“, so Anne Knödler. Erst am Freitag haben die Fünf noch einen Experten konsultiert: Tobias Holzlehner. Der promovierte Ethnologe von der Uni Halle hat selbst elf Jahre in Alaska und ein Jahr in Wladiwostok gelebt und kann daher gute Tipps zu Besonderheiten der Einheimischen geben oder vor unwegsamen Straßen warnen. Auch einen Kontaktmann im Autonomen Kreis der Tschuktschen im äußersten Nordosten Russlands, der Tschukotka, haben die Fünf dank des Wissenschaftlers nun.
Ob der ihnen auch bei der Überquerung der Beringstraße behilflich sein kann? „Darüber denken wir nach, wenn wir vor Ort sind“, so die Fünf, die auf der Reise „für jedes Problem“ einen Telefon-Joker haben. Und bei der Finanzierung sind sie optimistisch: Genau 4 117 Euro sind bei der bis zum 24. Oktober laufenden Crowdfunding-Kampagne auf www.indiegogo.com eingegangen - 30 000 sollen es werden, Sponsor Vodafon will jeden eingegangenen Euro verdoppeln. (mz)