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Mit 80 immer noch an der «Schießbude»

Von Antonie Städter 17.02.2006, 20:58

Halle/MZ. - Viel lieber hätte er damals Schlager statt Klassik gespielt - angesagte Tanzmusik, die auch auf den Familienfeten aufgelegt wurde. Seiner Mutter, die selbst Mandoline spielte und eine begnadete Sängerin war, ist er für ihre Strenge im Nachhinein dankbar: "In dieser Zeit habe ich musikalisch viel mitgekriegt." Und die Musik begleitet ihn nun schon sein gesamtes Leben. Bis heute, seinem 80. Geburtstag, spielt er als Schlagzeuger bei der legendären halleschen Rot-Schwarz-Swing-Combo.

Bei den Auftritten der sechs Herren und ihrer Sängerin - einmal im Monat im Com-Center - kommt dann genau das zu Gehör, was Otto Beige schon immer liebte: Swing, Jazz, Barmusik. Seine ersten Auftritte als Schlagzeuger hatte er nach dem Krieg. "Nach 1945 gab es am Steintor eine Musikvermittlung", erinnert er sich. Dort wurde auch Otto Beige geführt. Je nach Auftrag spielte er in zusammengewürfelten Gruppen in halleschen Kneipen - und bekam dafür zwei Mark pro Stunde. Bis er sich seine eigene "Schießbude" kaufen konnte.

Ein eigenes Schlagzeug, das war schon immer sein Traum gewesen. Bereits als Knirps hatte er sich das Kinderschlagzeug eines Freundes ausgeliehen, sich das Handwerk selbst beigebracht - und bei den Schlagzeugern großer Combos abgeguckt. Es war Ende der 50er Jahre, als Peter Heinzel, der heutige Bandleader, ihn nach einem Auftritt fragte: "Warum spielst du bei so einer miesen Truppe?" - und Otto Beige wechselte zu den Musikern mit den schwarzen Hosen und roten Jacketts; Farbspiele im Bandnamen lagen damals sehr im Trend, erinnert er sich. Sie spielten Foxtrott, Tango, Walzer und Charleston. Dann kam der Twist, der Boogie-Woogie und Rock 'n' Roll. "Wir haben alle Richtungen mitgemacht", sagt Beige. Sie fuhren viermal auf Tournee nach Moskau. Die 70er Jahre waren das. "Dann kamen die 80er. "Als die belämmerte Diskowelle losging, wollte keiner mehr Live-Musiker bezahlen". Anfang der 80er Jahre löste sich daraufhin die Rot-Schwarz-Combo auf. Der Schlagzeuger wollte trotzdem weiter Musik machen; er stieß zu den "Belcantos" - beinahe zehn Jahre lang spielten sie Hits der 80er Jahre nach.

Sein siebzigster Geburtstag wurde dann sozusagen zur Wiedervereinigung der Rot-Schwarz-Swing-Combo. Für seine große Feier spielten alle sechs noch einmal zusammen und nach einem weiteren erfolgreichen Auftritt stand 1998 fest: "Wir machen weiter." Seither probt das Sextett jede Woche. Eins wollte Otto Beige indes nie: Profimusiker sein. Hauptberuflich arbeitete er bis zu seiner Rente 1992 als Berufsschullehrer im Traktorenwerk Nietleben. Kurz nach dem Krieg - er hatte ein so genanntes Not-Abitur bekommen - hatte er eine Weiterbildung zum Neu-Lehrer absolviert.

Vier Jahre später lernte er Dreher und wurde schließlich Lehrer für polytechnischen Unterricht. Zudem war er vielbeschäftigter Sportler. 1954 wurde er im Kanu DDR-Meister. Später spielte Volleyball im Verein. Seinen Ehrentag feiert Otto Beige mit seiner Frau im Urlaub. Ein bisschen Ruhe vom turbulenten Alltag. Denn der Hallenser mit Rhythmus im Blut ist ein vielbeschäftigter Mann. Musik, Münzen, Schmuckwaffen, Fotografie - er hat viele Hobbys. "Viel zu viele", lächelt er.

Nächster Auftritt der Rot-Schwarz-Swing-Combo: am 10. März im Com-Center.