1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Muttermilch gespendet: Milchbank Uniklinik Halle rettete Frühchen Sofie das Leben

Muttermilch gespendet Milchbank Uniklinik Halle rettete Frühchen Sofie das Leben

Von Bärbel Böttcher 15.05.2018, 08:00
Die kleine Sofie ist jetzt bei ihrer Familie zu Hause.
Die kleine Sofie ist jetzt bei ihrer Familie zu Hause. Andreas Stedtler

Satt und zufrieden schläft die kleine Sofie in ihrem Körbchen. Gut zwei Monate ist das Mädchen jetzt auf der Welt. Es war ein Frühstart ins Leben. Da es Mama Stefanie sehr schlecht ging, musste Sofie nach nur 28 Schwangerschaftswochen am 5. März im Universitätsklinikum Halle per Kaiserschnitt geboren werden. Sie war lediglich 37 Zentimeter groß und wog 1.100 Gramm.

Nichts wäre in dieser Situation besser für das Kind gewesen, als Muttermilch. Doch die Mama war aufgrund der eigenen Erkrankung nicht der Lage, ihr Kind damit zu versorgen.

Dass Sofie trotzdem nicht darauf verzichten musste, verdankt sie einer Einrichtung der Universitätsklinik, die es seit Januar 2017 dort wieder gibt: die Frauenmilchbank.

Sie nimmt von gesunden Frauen überschüssige Muttermilch entgegen, mit der dann Frühchen wie Sofie ernährt werden. Fünf Wochen erhielt das Mädchen Spendermilch. Und hat sich damit hervorragend entwickelt.

Dr. Franziska Kaufmann, ärztliche Leiterin der Einrichtung, erklärt, dass die Frauenmilch leicht verdaulich sei, so das Verdauungssystem des Kindes wenig belaste und viele wichtige Nährstoffe enthalte.

„Seit wir die Frühchen mit ihr ernähren, sehen wir bei ihnen keine nekrotisierende Enterokolitis mehr“, erzählt die Kinderärztin. Das sei eine gefürchtete Darmkrankheit bei Frühgeborenen. „Mit Blut minderversorgte Darmabschnitte sterben dabei ab. Im Darm entsteht ein Loch, durch das sein Inhalt in den Bauchraum fließt. Dadurch kommt es zu einer lebensbedrohlichen Bauchfellentzündung“, erklärt sie. So etwas verhindern zu können, das sei ein maximaler Gewinn.

Es sind diese Vorteile, die auch Jens Stange, den Papa von Sofie, überzeugt haben. „Ich bin froh, dass es die Frauenmilchbank“, sagt er.

Als die Mediziner ihn fragten, ob er damit einverstanden sei, dass seine kleine Tochter mit Spendermilch ernährt wird, habe er keine Minute gezögert. „So wie er haben sich bisher alle betroffenen Eltern für das Wohl des Kindes entschieden“, sagt Franziska Kaufmann.

Muttermilchbank an der Uni-Klinik Halle: Genaue Untersuchung der Spenderinnen und der Milch

An die Spenderinnen der Milch werden hohe Anforderungen gestellt. Sie müssen über einen guten Gesundheitszustand verfügen. Ob das der Fall ist, wird bei einer medizinischen Untersuchung festgestellt.

Für die Spende selbst gibt es strenge Hygiene-Regeln. Das beginnt bei der Körperpflege und reicht über die Reinigung der Milchpumpe bis hin zur Aufbewahrung und zum Transport der Frauenmilch. Letzteren übernimmt in Halle übrigens die Klinik selbst. Sie holt die ebenfalls von ihr zur Verfügung gestellten Fläschchen einmal pro Woche bei den Spenderinnen ab.

In der Milchküche der Uni-Klinik wird die Spendermilch dann mikrobiologisch untersucht, um die Übertragung von Infektionen auf diesem Weg auszuschließen. „Die ganz kleinen Frühchen haben keinerlei Abwehrsystem“, sagt Franziska Kaufmann.

Deswegen werde nur die Milch gefüttert, die absolut einwandfrei sei. Tiefgefroren ist diese übrigens ein Vierteljahr haltbar. Danach wird sie pasteurisiert und kann ein weiteres Vierteljahr verwendet werden. „Aber so lange lagern bei uns die Vorräte nicht“, betont die Kinderärztin. Der Bedarf ist groß.

Spenden können die Mütter, die pro Tag mehr als 100 Milliliter überschüssige Milch haben. Das ist etwa ein halbes Wasserglas voll. Und oftmals, so sagt Franziska Kaufmann, höre sie die Frage, was die Klinik mit solch einer geringen Menge wohl anfangen könne.

„Viel“, lautet dann ihre Antwort. Denn so ein Frühchen, das unter 1.000 Gramm wiegt, erhält alle zwei Stunden eine Mahlzeit von gerade mal einem Milliliter. „Und da kommen wir mit 100 Millilitern schon ein ganzes Stück“, betont die Ärztin. Da der kleine Körper nur so geringe Mengen aufnehmen und verdauen kann, wird die Frauenmilch noch angereichert, etwa mit Extra-Elektrolyten oder Extra-Proteinen.

Übrigens - gespendet werden kann die Milch bis zu einem halben Jahr nach der Geburt des eigenen Kindes. Warum nicht später? „Weil sich die Zusammensetzung im Laufe der Zeit verändert, sich dem Entwicklungsstadium des Kindes anpasst“, erklärt Franziska Kaufmann.

Bei einem Kind, das dann schon zusätzlich Brei bekomme, diene die Milch mehr dem stillen des Durstes als der vollwertigen Ernährung. „Das passt dann einfach nicht zu unseren Frühchen, die rund um die Uhr von der Milch leben.“

Die Ärztin versucht deshalb, auch Mütter von Frühchen, die Milch haben, zur Spende zu motivieren. „Ideal wäre es, die Kinder adäquat ihrer Schwangerschaftswoche zu ernähren“, sagt sie.

Doch da das noch ein Wunschtraum ist, ist sie sehr froh, wenn Mütter, die „reife Neugeborene“ zur Welt gebracht und genug Milch haben, davon etwas zur Verfügung stellen. „Zur künstlich hergestellten Frühchennahrung ist das immer noch die bessere Alternative“, unterstreicht sie.

Milchbank an der Uniklinik Halle: Frühchen sollen optimal ernährt werden

Die Frühchen optimal ernähren - dass war sozusagen Anfang des vergangenen Jahres der Gründungsgedanke der Frauenmilchbank. Seitdem gab es etwa 30 Spenderinnen. Knapp 30 Kinder kamen in den Genuss ihrer Milch.

Franziska Kaufmann würde sich wünschen, dass sich noch mehr Frauen bereiterklären, etwas vom Überfluss abzugeben. „Aber viele wissen wahrscheinlich gar nicht, dass es uns gibt“, meint sie.

Natürlich erfordere es etwas Aufwand, nicht nur das eigene Kind zu versorgen, sondern unter strengen hygienischen Auflagen überschüssige Milch abzupumpen und richtig aufzubewahren. „Aber sie dürfen das zu Hause machen, so in ihren Tagesablauf integrieren, wie es ihnen am besten passt“, betont die Ärztin.

Quasi als Gegenleistung steht die Klinik den Frauen, die ihre überschüssige Milch abliefern, bei allen Fragen rund um das Stillen mit Rat und Tat zur Seite. Denn die Spende ist unentgeltlich. Schon damit niemand einen Anreiz hat, daraus ein Geschäft zu machen. „Eins ist klar“, sagt Franziska Kaufmann. „Das eigene Kind bekommt zuerst. Und nur wenn - wie gesagt - 100 Milliliter am Tag übrig sind, kann gespendet werden.“

Aus Solidarität mit den Müttern, die sich um die Gesundheit ihres Neugeborenen viel größere Sorgen machen müssen als andere.

Frauenmilchbanken sind übrigens keine neue Erfindung. Die deutschlandweit erste wurde bereits vor etwa 100 Jahren in Magdeburg gegründet. Ende der 50er Jahre gab es 86 solche Einrichtungen - 62 in Ost- und 24 in Westdeutschland. „Die meisten von ihnen wurden in den 80er Jahren, als die HIV-Infektionen anstiegen, geschlossen“, erzählt Franziska Kaufmann.

Inzwischen werden aus dem Wissen heraus, dass Muttermilch eben die beste Ernährung für frühgeborene oder kranke Kinder ist, wieder Milchbanken aufgemacht. Laut European Milk Bank Association (Emba) arbeiten in der Bundesrepublik derzeit 20. Nur fünf davon befinden sich in den alten Bundesländern.

„Hier im Osten ist der Gedanke, etwas zu teilen, etwas abzugeben einfach verbreiterter“, denkt Franziska Kaufmann.

Übrigens, für die Kliniken ist eine Frauenmilchbank ein Zuschussgeschäft. Die Krankenkassen vergüten den Mehraufwand nicht, den sie dadurch haben. Absurd, wenn man bedenkt, dass dadurch den Kindern schwere Eingriffe, die teuer bezahlt werden müssten, erspart bleiben. „Eigentlich erhalten wir für die bessere Therapie weniger Geld“, sagt die Kinderärztin. Doch das ist eine andere Geschichte.

Die Ärztin und das ganze Team engagieren sich von ganzem Herzen für ihre Frühchen. Und der schönste Lohn ist, wenn sie dann gesund und munter nach Hause entlassen werden können.

So wie Sofie. Das Mädchen ist mittlerweile 45 Zentimeter groß und wiegt rund 3.000 Gramm. Ihr Papa unterstreicht: „Ich würde mir wünschen, dass alle Kinder, die es brauchen, Frauenmilch erhalten können.“

Frauen, die gern überschüssige Muttermilch spenden möchten, können mit der Universitätsklinik in Kontakt treten:

››Per Telefon unter: 0345/5 57 22 57, Per E-Mail: [email protected]