Melken nach dem Klingelton
Ostrau/MZ. - "Man merkt ihr an, wie sie sich für den Beruf engagiert, obwohl er das Drei-Schicht-System verlangt und hohe Anforderungen an die Männer und Frauen im Stall stellt", sagt Geschäftsführer Eberhard Stahr. Das Unternehmen hat seit 1990 insgesamt 23 junge Leute als Land- oder Tierwirt ausgebildet und 15 Praktikanten eingesetzt. "Nicht jeder", so Stahr, "hat ein solches Interesse an der Landwirtschaft gezeigt wie Nicole."
Nicole Lathan ist in Halle geboren und in Merseburg groß geworden, drückte dort die Schulbank. Mit der Abschlussnote zwei entsprach sie genau den Erwartungen, die heute an einen künftigen Tier- oder auch Landwirt gestellt werden. "Der Beruf hat sich rasant weiter entwickelt. Moderne Technik im Stall heißt nicht nur automatisches Melken. In unserem Fischgrätenmelkstand übermitteln die Transponder, die jede Kuh wie einen kleinen Sender trägt, die Daten direkt zum Computer, in das jeweilige Herdenbuch", sagt Nicole Lathan.
Die Tierwirtin kann die Daten aufrufen und die Milchleistung jeder Kuh - es wird täglich dreimal gemolken - vergleichen. Bei dramatischen Leistungseinbrüchen wird außerdem ein Warnsignal gesendet. Eine wichtige Information ist sogar der Gang einer Kuh zu ihrem Melkplatz. Geht sie schnell, so Geschäftsführer Stahr, ist sie gesund und sozusagen "gut drauf" für die künstliche Besamung.
Nicole Lathan bindet sich vor jedem Gang in den Melkstand eine gelbe Schürze um. Das passiert aus Gründen der Hygiene, die ist auch beim Melken oberstes Gebot. Und ihre Lieblingstiere ("Jeder hat so seine Lieblinge und sie bekommen auch Namen.") erkennen sie sowieso. Für die Tierwirtin sind das Muttchen, Knubbel und Anja. "Die mag ich besonders", sagt Frau Lathan. "Anja und Knubbel sind nämlich Zwillinge, ganz weiß und mit wenigen schwarzen Flecken am Hals. Und Muttchen ist eine ganz liebe Kuh", erklärt die junge Frau mit den langen dunklen Haaren beinahe ein wenig verlegen.
Nicole Lathan mag Tiere und die Arbeit mit ihnen. "Mir macht der Beruf viel Spaß, vor allem, weil ich schon immer etwas mit Tieren machen wollte", sagt sie. Und sie möchte auch andere junge Leute für einen Beruf in der Landwirtschaft interessieren. "Bei dem heutigen Stand moderner Technik muss man da richtig was drauf haben." Und sie erklärt, dass mit der Wärme der gemolkenen Milch - die muss ja sofort gekühlt werden - der Fußboden im Stall und das Wasser zum Duschen beheizt werden. Ein moderner Energiekreislauf also.
Nicole Lathans Lebensgefährte Thomas Krimm ist ebenfalls Landwirt. Er arbeitet in Gröbers. Die Familie lebt in Mösthinsdorf. Wenn das Paar frei hat, geht es schon mal mit Sohn Fabian ins Kino. Ein bisschen Freizeit nutzt Nicole Lathan für ihr Hobby. Und das hat natürlich auch etwas mit Tieren zu tun: Sie hat von allen Kühen, die in der Ostrauer Agrar GmbH geboren und aufgezogen worden sind, den Stammbaum aufgeschrieben und die verwandtschaftlichen Beziehungen festgehalten. "Eine aufwendige Arbeit, aber sie macht mir Spaß", so die junge Frau.
Als ihre Schicht beginnt, ist ein Klingelton zu hören. Der ist für die Kühe bestimmt. Und sie folgen ihm. Jede stellt sich in ihren Melkstand. Es sind zwölf auf jeder Seite - fischgrätenartig angeordnet (daher der Name). Nicole Lathan beginnt mit dem Melken.