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Marode Häuser in Halle Marode Häuser in Halle: Die letzte Hoffnung für Altbauten

Von Michael Falgowski 21.11.2013, 16:04
Im Sanierungsgebiet Altstadt wurden und werden zwei der bedeutendsten Denkmäler in der Nähe des Marktes saniert. Die beiden Häuser Große Klausstraße 3 (links) und Graseweg 1.
Im Sanierungsgebiet Altstadt wurden und werden zwei der bedeutendsten Denkmäler in der Nähe des Marktes saniert. Die beiden Häuser Große Klausstraße 3 (links) und Graseweg 1. Jens Schlüter Lizenz

HALLE (Saale)/MZ - Alles war fix und fertig. Die Fördermittel standen im Frühjahr bereit, auch die Sparkasse spielte mit. Die Bauunterlagen waren fast perfekt – es fehlte nur das Gutachten des Statikers. Endlich konnte der Zirkus-Verein „Klatschmohn“ das marode Haus Wielandstraße 17 sanieren – mit Turnraum und Wohnungen umbauen. Zweieinhalb Jahre ist das der Plan gewesen. Doch dann forderte der Gutachter überraschend, im Keller des Hauses eine große Betonplatte einzuziehen. Die sollte einen möglichen Erdfall von vier Metern Durchmesser aushalten. Denn das Haus steht wohl über einem ehemaligen Bergbauschacht. Kein Nachbargebäude hat eine solche Grundplatte.

"Die Sanierung wird wohl im Frühjahr beginnen"

Das ganze Projekt musste also überarbeitet werden. Es wurde auch teurer. Immerhin, diese Forderung hat die Rettung des Hauses vor dem sicheren Verfall nicht verhindert. „Ich hoffe, dass in wenigen Tagen alles klar ist. Die Sanierung wird wohl im Frühjahr beginnen“, sagt Gernot Lindemann. Der Architekt ist Halles „Eigentümermoderator“. Im Auftrag der Stadt kümmert er sich seit mehr als fünf Jahren eigens um Halles Schrottimmobilien, berät Eigentümer leer stehender Gebäude in den Gebäudesicherungs-Fördergebieten, vermittelt Kontakte, informiert über Förderung oder entwickelt gemeinsam mit der Stadt Ideen für Zwischennutzungen der maroder Gebäude.

Im Frühjahr 2011 hatte Lindemann dem Artistik- und Zirkus-Verein „Klatschmohn“, der damals ein neues Domizil suchte, das marode Haus Wielandstraße 17 an der Ecke Paracelsusstraße schmackhaft gemacht. Das denkmalgeschützte Eckhaus ist eines der wichtigsten Sanierungsprojekte in der Stadt. „Denn wenn es fällt, dann sieht es auch für die Objekte daneben und dahinter schlecht aus.“ Zudem würde Verkehrslärm ganz neue Teile des Paulusviertels belasten. Insgesamt bilden sieben marode Gründerzeithäuser an der Paracelsusstraße ein denkbar unansehnliches Entree in die Stadt.

Ärgernis seit Jahren

Tatsächlich ist der Anblick der verwahrlosten Häuser in Reihe ein Ärgernis seit Jahren. Die Stadt hat deshalb 2011 diesen Stadteingang eigens zu einem Schwerpunkt im Förderprogramm zur Gebäudesicherung erklärt. An der Hauptstraße liegend, können die privaten Hauseigentümer maximal 150 000 Euro Fördermittel bei der Sanierung bekommen. Immerhin. Im Fall des Eckhauses Wielandstraße 17 mit der Fassade in zwei Straßen sind sogar 300 000 Euro möglich. Der Stadtrat hatte dafür eine Ausnahme beschlossen.

Ende November entscheidet der Stadtrat, ob drei neue „Räumliche Förderschwerpunkte“ in das seit 2008 bestehende Gebäudesicherungsprogramm aufgenommen werden. Mit diesen drei kleinen Gebieten verfolgt die Stadt ihre Strategie weiter, Stadtreparatur nicht per Gießkanne zu fördern, sondern stattdessen Schwerpunkte.

Konkret handelt es sich um die „Stadteingänge“ Merseburger Straße im Bereich zwischen Lauchstädter Straße und Huttenstraße, den Bereich Riebeckplatz/Oberer Leipziger Straße sowie um die mittlere Ludwig-Wucherer-Straße mit der Kreuzung Willy-Lohmann-Straße/Martha-Brautzsch-Straße. An diesen Stellen hat die Kraft des Immobilienmarktes nicht ausgereicht, sämtliche Häuser zu sanieren. Nun soll also öffentliche Förderung Entwicklungsimpulse setzen. Zunächst bis einschließlich 2015 können Hauseigentümer Anträge stellen. Die Förderung würde dann bis 2020 ausgezahlt.

Im Stadteingang Merseburger Straße hat es zwischen Lauchstädter Straße und Huttenstraße die meisten Gebäudeverluste gegeben. An der Merseburger Straße direkt können deshalb bis 60 Prozent der sogenannten zuwendungsfähigen Kosten gefördert werden, maximal 150 0000 Euro.

Mit der Gebäudesicherung soll auch die Entwicklung am Riebeckplatz angeschoben werden. Die obere Leipziger Straße ist durch den geringen Sanierungsstand, die Konzentration von Leerstand und Gebäudeverfall und ein hohe Fluktuation von Läden gekennzeichnet. Der obere Boulevard soll deshalb auf der Südseite bis hinunter zum Hotel „Rotes Ross“ und die Nordseite mit der Martinstraße in das Gebäude-Sicherung aufgenommen werden. Der dritte kleine Förderschwerpunkt ist die Ludwig-Wucherer-Straße mit der Kreuzung Willy-Lohmann-Straße/Martha-Brautzsch-Straße.

Als Einzelobjekte sind bereits sechs „Besonders gefährdete Baudenkmäler von herausragender historischer Bedeutung“ für eine Gebäudesicherung förderfähig. Beispielsweise die Häuser Mansfelder Straße 59. Neu ist, dass in der ehemaligen Brauerei An der Schwemme 1 nicht ein Privateigentümer, sondern mit „HausHalten“ ein Verein als Zwischennutzer gefördert werden soll.

Seit 2011 bereits existieren die beiden großen Fördergebiete „Erweitertes Glaucha“ – praktisch zwischen Torstraße und Ludwigstraße – sowie das Fördergebiet „Am Steintor/Medizinerviertel“ mit der Großen Steinstraße und der Paracelsusstraße. Unterschieden wird in Wohn- und Hauptstraßen – die Förderung an Hauptstraßen ist höher. In beiden Gebieten wurden 94 problematische Privathäuser registriert. Seither sind oder werden gerade immerhin 42 Gebäude saniert, 23 davon mit Förderung. Im Medizinerviertel gab es allein entlang der Wohnstraßen – ohne die beiden Hauptstraßen Magdeburger Straße und Volkmannstraße – 31 sanierungsbedürftige Häuser, davon sind elf saniert oder in Bearbeitung, sechs davon mit Förderung. An der Hauptstraße mit Großer Steinstraße samt Zingstgartenstraße gibt es 29 marode Altbauten. 14 sind oder werden saniert. In der südlichen Innenstadt erhalten an der Hauptstraße Böllberger Weg acht marode Gebäude eine Förderung. Davon sind vier mindestens in einer geplanten Sanierung, drei mit Förderung.

Geschlossen ist seit Jahresbeginn das Fördergebiet Glaucha. Dort wurde 2008 der städtebauliche Großversuch gestartet - wohl als einziger im Rahmen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2010, die Halle inzwischen deutschlandweit bekannt gemacht hat. Vom „Glaucha-Effekt“ spricht das Bundesbauministerium, vom „Wunder von Glaucha“ gar reden Stadtplaner. Die Sanierungswelle ist unübersehbar. 70 Häuser zwischen Hochstraße, Steinweg, Torstraße und Saale sind marode. Wenn die letzten Anträge der Hauseigentümer auf Förderung abgearbeitet sind, werden von den 70 maroden Häusern immerhin 27 Gebäude, darunter auch drei von vier totalen Ruinen, mit Hilfe von Stadtumbau-Mitteln saniert sein. Rund drei Millionen Euro Fördermittel von Bund und Land haben dabei rund 30 Millionen Euro private Investitionen der Hausbesitzer angeschoben.  (Mifa)

Seit gut zwei Jahren ist Lindemann mit den Hauseigentümern im Gespräch. Ein Erfolg ist bisher zwar kaum sichtbar, aber es gibt ihn durchaus. „Im Nachbarhaus, der Nummer 20, hat der Eigentümer sich zu einer Sanierung bekannt, aber noch keinen Fördermittelantrag gestellt. Die Häuser Paracelsusstraße 17, 18, 19 hat sich der Eigentümer inzwischen bereiterklärt, zu verkaufen“, sagt Lindemann. Es gebe ernsthafte Interessenten. Die Nummer 14 wird mit Fördermittel saniert, samt einem Seitenflügel. Und in der Nummer 11 hat der Eigentümer immerhin Decken einziehen lassen: Decken und Dach waren eingebrochen, die Fassade hatte keinen Halt mehr, wie bei einem hohlen Zahn. Das Bauordnungsamt hatte deshalb die Sicherung verfügt.

Und weil das Zirkus-Haus saniert wird, hat auch das Haus gegenüber, Wielandstraße 14, wieder eine Zukunft. „Der neue Investor hat für die Wohnungen genug Interessenten. Aber so lange die Gefahr besteht, dass das Zirkushaus gegenüber doch noch abgeht, sind die eben noch vorsichtig“, so Lindemann.

Die Fördermittel sind der „Speck“, mit dem die Hauseigentümer gefangen werden sollen - damit sie vielleicht doch noch sanieren. Oft macht erst diese Förderung eine Sanierung der alten maroden Häuser erst wirtschaftlich.

„Die Fördermittel sind der letzte Versuch, die Häuser zu retten, bevor das Bauordnungsamt wirklich tätig wird“, sagt Halles oberster Stadtplaner Lars Loebner. Das gelinge nicht in jedem Fall. Ruinen gibt es immer noch einige. Kein Wunder: Rund 3 000 Altbauten, viele davon stehen unter Denkmalschutz, gibt es in Halle. Aber etwa 100 Gebäude werden mehr oder weniger ständig wegen ihres sich verschlechternden Bauzustandes von den Mitarbeitern beobachtet. Manchmal, wie seit Mittwoch in der Landsberger Straße 55 kann nur noch abgerissen werden. Die problematischen Häuser wechseln also, ihre Anzahl aber bleibt konstant.

Erfolge unübersehbar

Doch die Erfolge der letzten Jahre sind im Stadtbild unübersehbar. Und so gibt es auch in der Innenstadt, wo im Sanierungsgebiet Altstadt noch andere, bessere Förderbedingungen greifen, viele positive Beispiele. So sind oder werden etwa die Renaissancehäuser Große Klaustraße 3 und Graseweg 1 am Markt saniert.

Auch an Halles bekanntesten Fachwerkhaus, dem „Spukhaus“ ruht wegen interner Probleme die Arbeit seit Wochen. Der langjährige Projektentwickler, der in Halle bereits andere marode Häuser und Denkmäler saniert hatte, ist überraschend nicht mehr dabei. Dennoch geht die Stadtverwaltung davon aus, dass die umfangeiche Sanierung des bekannten Hauses weiter fortgeführt wird. Wann genau mit einer Fertigstellung zu rechnen sein wird, ist aber offen. Dennoch ist die Große Klausstraße 3, so die offizielle Adresse des Gebäudes, schon im jetzigen Sanierungszustand ein echter Fortschritt, egal wann fertig saniert wird. Lange hatte keiner mehr an die Rettung des wertvollen Denkmals geglaubt.

Eine ungewöhnliche Lösung bahnt sich auch an für das Haus An der Schwemme 1, ein herrliches denkmalgeschütztes Haus, das seit Jahren verfällt. Die Stadt ist Miteigentümer. Angedacht ist, dass der Verein „HausHalten“ das Denkmal bezieht. Ateliers sollen dort eingerichtet werden.

"Es passiert sehr viel in Halle"

Die Erfolge der Stadtsanierung, ob in der Altstadt oder in Gebäudesicherungsgebieten betont Lars Loebner, Leiter der Stadtplanung. „Es passiert sehr viel in Halle. Das kann jeder sehen, der durch die Stadt geht. Langfristig, das hat die letzte Bürgerstudie gezeigt, gesundet Halle weiter.“ Es sei noch nicht wie andere ostdeutsche Boomstädte, aber „Halle kommt!“. Und das wirke sich eben auch auf den Immobilienmarkt aus. Deutschlandweit habe übrigens Halle unter Stadtplanern und Experten einen sehr guten Ruf. Vor allem das Förderprogramm zur Gebäudesicherung in Verbindung mit einem Eigentümermoderator stoße überall auf Interesse.

Willkommen in Halle: Die Paracelsusstraße ist ein unansehnlicher Stadteingang.
Willkommen in Halle: Die Paracelsusstraße ist ein unansehnlicher Stadteingang.
Jens Schlüter Lizenz
Das Denkmal An der Schwemme 1 soll gefördert werden.
Das Denkmal An der Schwemme 1 soll gefördert werden.
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