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Mann in Frauen-Domäne Mann in Frauen-Domäne: «Fußpflege war grauenhaft»

Von Julia Ohlendorf 13.08.2004, 15:33

Halle/MZ. - In die eigentlich von Frauen beherrschte Domäne rutschte Chris Jäckel zwar nicht zufällig, aber über einige Umwege. Nach seinem Realschulabschluss 1997 begann er eine Lehre als Versicherungskaufmann, brach diese ab und machte eine dreijährige Ausbildung zum Wirtschaftsassistenten für Informatik. "Ich hatte immer den Traum vom Kreativ-Sein. Die Vorher-Nachher-Shows haben mich fasziniert. Aber mir fehlte damals der Mut, etwas in der künstlerischen Richtung zu machen", sagt der 23-Jährige heute.

Mit seiner Schwester wagte Chris Jäckel dann den Schritt zur zweijährigen Ausbildung als Kosmetiker. "Am Anfang war ich darüber geschockt, was alles dazu gehört: Anatomie und Dermatologie. In der Schule stand auch mehr der pflegende Aspekt der Kosmetik im Vordergrund. Fußpflege fand ich grauenhaft." Seine praktische Erfahrung gewann er im Salon Garzareck. Dort brachte ihm Ariane Garzareck erst richtig das Dekorative, also Schminken, bei. Und wie die glänzenden Pokale von Meisterschaften im Geschäft zeigen, auch sehr erfolgreich.

Aber wie reagiert die Kundschaft, wenn ein Mann ihnen die Augenbrauen zupft und den Rücken massiert? "Ältere Damen sind am Anfang etwas kritisch, aber sonst gibt es keine Probleme", sagt Jäckel. Nur mit den üblichen Vorurteilen über Männer in der Branche müsse er kämpfen. Doch in unserer jetzigen Zeit darf ja auch das starke Geschlecht ungeniert zu Nagelfeile und Kompaktpuder greifen.

"Früher war ich sehr schüchtern, habe gestottert und konnte keinem beim Reden in die Augen schauen." Durch seinen Beruf habe er gelernt, auf Menschen zuzugehen, wurde selbstbewusster. Jetzt macht Chris Jäckel noch eine Lehre zum Friseur im Salon Garzareck. Danach ist er perfekt ausgebildet, um "jeden Menschen auf seine Weise schön zu machen" - wie er es nennt. "Die passende Frisur, ein bisschen Rouge und ein farbiger Strich auf die Lippen, dann ist jede Frau zum Niederknien!" Ziele für die Zukunft fehlen ihm auch nicht. "Vielleicht studiere ich noch irgendwann Modedesign. Man muss sich schließlich weiterentwickeln."

So ganz lässt der Beruf Jäckel auch in seiner Freizeit nicht los. "Früher hab ich bei Frauen auf Busen und Po geschaut. Jetzt geht der erste Blick ins Gesicht", gesteht er mit verschmitztem Grinsen. Auch hätte ihn die Kosmetik zur Kräuterkunde geführt, wo er Pflanzen für heilende Wässerchen destilliert. Und an welchem Gesicht und auf welchem Kopf würde sich der "Künstler" gern einmal austoben? "Nicole Kidman. Hochsteckfrisuren stehen ihr göttlich und diese Wangenknochen, ein Traum."