Literatur Literatur: Halles Stammgast Ringelnatz
Halle (Saale)/MZ. - Ja, Joachim Ringelnatz, Deutschlands einst bekanntester Seemann und einer der begnadetsten Kabarettdichter seiner Zeit, weilte im Jahr 1928 für eine Nacht im Hotel Stadt Hamburg am Joliot-Curie-Platz. "Wenn du nach Halle gehst, / Dann geh nach Hamburg, / Wenn du von gutem Leben was verstehst", dichtete Ringelnatz im Jahr darauf auf das legendäre Hotel.
Doch der im sächsischen Wurzen geborene Dichter, der als Kuttel Daddeldu so oft Schlüpfriges und Schauriges zum Besten gab, war nicht nur dieses eine Mal hier, denn mit der Saalestadt verband ihn eine heimliche Liebe.
Wie eine Stunde Verhätschelwerden
Und er hat sie auch nicht nur in diesem einen Gedicht besungen. "Als Mariner im Krieg" - so der Titel seiner Biografie - besuchte Ringelnatz erstmals zum Weihnachtsurlaub 1915 Halle. Mit der Eisenbahn fuhr er nach Leipzig und weiter über Halle nach Thüringen und - so schrieb er dann vielsagend in sein Tagebuch - die zehn freien Tage "verflogen wie eine Stunde Verhätscheltwerden". Ähnliches wiederholte sich im Jahr darauf, als Ringelnatz "goldene Tage" an der Saale verbrachte und "überall bestens aufgenommen, mitunter auch mit Truthahn, Gänsebraten und Sekt bewirtet" wurde. Immerhin war er kein Unbekannter, sondern gerngesehener Gast.
So auch im Herbst 1917, als der frisch zum Kommandanten beförderte Dichter nach Halle reiste, um hier seinen Bruder Wolfgang zu treffen: "Das war eine Erholungsreise! Ich war bei Geld, war wohlgekleidet, meine Uniform genoss im Binnenlande mehr Ansehen als die feldgraue", notierte Ringelnatz im Rückblick.
Mal "ehepaaren" in Halle
Gegen Ende des Krieges reiste Ringelnatz erneut von Cuxhaven, wo er stationiert war, nach Halle, diesmal zusammen mit seiner Freundin Annemarie Ruland: "Annemarie fuhr mit mir nach Halle, wo wir im Hotel Sachsenhof ehepaarten." Überall stießen sie auf Bekannte und Verehrer, wurden eingeladen und zechten in der für Ringelnatz üblichen Manier. Kein Wunder, dass ihm Halle somit besonders ans Herz gewachsen war. 1929 beschrieb er die Stadt samt der Burg Giebichenstein in dem Gedicht "Brief auf Hotelpapier". Aus demselben Jahr stammt das Gedicht "Halle an der Saale", in dem Ringelnatz amüsante Eindrücke von der Stadt festhielt.
Ungleich skurriler geht es in dem Gedicht "Zum Aufstellen der Geräte" zu, das seinen Band "Turngedichte" (1920) einleitet. Über vier Strophen berichtet diese Satire von einem Turner, der mit allerhand Ehrungen ausgezeichnet wurde, unter anderem mit der an den Turnvater Jahn erinnernden "Jahn-Cocarde mit dem Lorbeerreis" der Stadt Halle.
Doch all diese Auszeichnungen machen besagten Turner nicht froh. Und so lässt ihn sein Dichter mit einem Saltomortale von einer Klippe aus in den Tod springen, während er - Ringelnatz - mal wieder seinen Besuch in Halle genießt.