Leute von nebenan Leute von nebenan: Hühner-König holt EM nach Ostrau
Ostrau/MZ. - Europa-Meisterschaften in Ostrau - die 1000-Seelen-Gemeinde Ostrau hat es geschafft. Im Jahr 2004 findet erstmals im Saalkreis ein Championat der Hühnerzüchter statt. Diesen Zuschlag verdankt die Region einem Züchter, dem das liebe Federvieh über alles geht: Günther Kieslich.
Spezialität des Ostrauers ist die seltene Rasse Australorps. Bei der Zucht dieser bis zu drei Kilogramm schweren Hühner gilt der 63-Jährige als fast unschlagbar. Seine Trophäen füllen Räume - mehr als 300 Pokale und noch einmal doppelt so viele Ehrenpreise- und urkunden. Kieslich ist stets der einzige Züchter, der Australorps in sämtlichen Farbschlägen zur Ausstellung bringt. Tiefschwarz, strahlendes Weiß oder in sauberen Blau gesäumt, so überzeugen seine makellosen Tiere die Schiedsrichter.
Das sorgt für Aufsehen weit über Sachsen-Anhalt hinaus. Nunmehr fungiert der gelernte Hufschmied als Schriftführer des Bundesverbandes. Die Zusagen für die Europa-Meisterschaften erreichen ihn daheim. Auf dem Schreibtisch, darüber hängt ein Ölgemälde mit drei Australorps-Hühnern, stapeln sich Meldungen aus ganz Deutschland, Österreich, der Schweiz, Dänemark und aus den Niederlanden.
Als Vereinschef in Ostrau sieht der Invalidenrentner damit sein Lebenswerk gekrönt. Immerhin gehört Kieslich zu den Gründungsmitgliedern, die zeitgleich mit den Europa-Meisterschaften das 50-jährige Vereinsjubiläum feiern können. 34 Männer und Frauen, auch sechs Jugendliche entdecken in der Hühnerzucht ihre Passion. Vielen Gästen des Schloss- und Parkfestes ist noch das Wettkrähen in Erinnerung. "70 Mal in einer halben Stunde krähte mein weißer Zuchthahn, 15 Rufe über der vorherigen Rekordmarke, ", jubelt Kieslich noch Wochen danach.
Die Ostrauer wissen so viel Einsatz zu schätzen. Mit ihren Stimmen sitzt Kieslich für die Geflügel- und Kleintierzüchter im Gemeinderat. Auch dort kann sich seine Bilanz im wahrsten Sinne des Wortes sehen lassen. Kieslich: "Unsere Ausstellungshalle war früher ein Schafstall, den der Verein von der Treuhand abgekaufte." 10 000 Stunden an Eigenleistungen und kommunale Mittel stecken in dem alten Gemäuer - nunmehr ein Schmuckstück für das ganze Dorf. Darüber staunen nicht nur die Einheimischen, auch die Gäste vom Partnerverein im westfälischen Steinfurt-Borghorst sind davon begeistert.
"Mein Hobby fordert natürlich seinen Tribut", räumt Kieslich ein und versteht, dass seine Kinder andere Wege gehen. Sohn Frank ist vernarrt in Pferdestärken und Tochter Anke treibt Sport. Ehefrau Gabriele unterstützt ihn jedoch nach Kräften, obwohl in den 30 Jahren seit der Hochzeit nur einmal Zeit geblieben ist für einen Urlaub. Die gelernte Chemielaborantin begleitet ihn und seine Tiere zu den zahlreichen Ausstellungen und Tagungen, bei den alljährlichen Kreisschauen kümmert sie sich um die Tombola. Kieslich schwärmt: "Außerdem kann meine Frau wunderbar Geflügel zubereiten, am besten mit böhmischen Knödeln und Rotkraut."