Leidenschaft für Drehorgeln
HALLE/MZ. - Vielmehr hat der 70-Jährige eine wohl einmalige historische Sammlung von mechanischen Spieldosen, Drehorgeln, schrankgroßen Spielautomaten und Tischorgeln im Kofferformat. Und die dazugehörigen Noten sind je nach Gerät auf Lochstreifen oder Walzen gestanzt oder auf Scheiben geprägt.
Doch die meisten Geräte und Tonträger hat der Kröllwitzer nicht etwa niegelnagelneu aufgearbeitet gekauft, sondern in Kleinarbeit selbst restauriert. "Da muss man auch manchmal komponieren", verblüfft der Physiker, der bis zu seiner Pensionierung in der Lehrerausbildung an der halleschen Universität tätig war, den Laien. Denn wenn nicht nur das Gerät, sondern auch die Walze mit der Musik kaputt ist, muss man raten und ausprobieren, welche Noten das Stück ergeben. Defekte Teile wie Pfeifen oder die nur einen Bruchteil von einem Millimeter großen Stifte an einer Walze repariert Kolwig mit Leidenschaft. Und noch warten viele, viele Drehorgeln und Musikdosen in seiner Werkstatt darauf, wieder wie neu zu klingen. "Aber um alle zu reparieren, muss ich so alt werden wie Heesters", schmunzelt er selbst über sich.
Ihren Anfang hatte die Sammlung mit der Leidenschaft zum Basteln genommen: Als Student hatte Kolwig sich bereit erklärt, gegen einen kleinen Obolus Radiogeräte zu reparieren, später auch Uhren. Als er einmal eine Uhr mit Spielwerk wieder zum Laufen brachte, war der Funke entzündet. "Später habe ich einen defekten Leierkasten gegen Uhren getauscht", erinnert er sich an die Anfänge der Sammlung.
Unter den gut 130 historischen Stücken, die er nach der Wende auch auf Antiquitätenmärkten in ganz Europa erstanden hat, ist eine Vogelorgel aus der Zeit um 1760 das älteste. Doch genau die mag Kolwig eigentlich nicht so gerne vorspielen: "Das ist schrecklich für unsere Ohren." Denn mit der Orgel sollte früher dem als Haustier gehalteten Zeisig das Singen beigebracht werden. Lieber sind dem Musikfreund da schon die Orgeln aus der Zeit zwischen 1880 und 1920 und der Musik aus dieser Zeit - Märsche, Walzer.
Etwa drei Mal im Jahr macht sich der Pensionär auf den Weg zu Drehorgeltreffen, wo er am liebsten die in Halle gebaute Söllner-Dreh-orgel von 1880 mitnimmt. Gerne würde er seine Sammlung auch in einer Dauerausstellung zeigen, doch bislang stieß er in der Saalestadt damit auf kein Interesse. Anders dagegen in Merseburg, wo er im vergangenen Jahr im Schloss einen Teil seiner ungewöhnlichen Spielgeräte zeigte.
Auf alle Fälle gibt es bei Familie Kolwig keine Diskussion, was zu Weihnachten gespielt wird. Denn in einem Spielautomaten, der bis in die 1920er Jahre in Gaststätten für Musik sorgte, liegt schon die Stanzplatte mit "Stille Nacht" bereit.