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Laternenfest in Halle Laternenfest in Halle: Traditionelles Rabimmel, Rabammel

Von Iris Stein 29.08.2015, 08:54
So schön und so romantisch: Laternen fest in Halle.
So schön und so romantisch: Laternen fest in Halle. Günter Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Das gab es vermutlich beim ersten Laternenfest, das passiert noch heute und es ist eine Erinnerung, die viele haben, die einst schon als Kinder am Saaleufer unterwegs waren: Aufgeregt, schick angezogen und mit bunter Laterne zog die Familie zum großen Ereignis. Und weil voller Vorfreude der leuchtende Lampion ordentlich geschwenkt wurde, ging er alsbald in Flammen auf. Und das oft noch vor dem großen Umzug oder dem abendlichen Bootskorso! Da flossen vor 87 Jahren schon Tränen und das tun sie möglicherweise auch heute wieder. Dabei ist doch vieles moderner geworden. Der Zauber des Lichterspektakels aber liegt in seiner Tradition.

Die begann 1928 mit dem ersten Fest dieser Art. Und obwohl es mit seinen Bräuchen jede Menge Romantik atmet - die war bei seiner „Erfindung“ nicht im Spiel, sondern schnöde wirtschaftliche Überlegung. In einem Schreiben vom 26. Juli jenes Jahres regt der Hallesche Wirtschafts- und Verkehrsverband an, nach dem großen Erfolg des Blumenkorsos, den es seinerzeit schon gut 15 Jahre gab, am 1. September ein Laternenfest mit Bootskorso zu feiern. „Wir versprechen uns eine erhebliche Umsatzsteigerung“, heißt es, und: „Wir bitten ergebenst, für die  . . . Veranstaltung die Genehmigung zu erteilen.“ Der Magistrat erteilte, und so gibt es seit 87 Jahren das Laternenfest in Halle, in diesem Jahr zum 80. Mal.

Kriegspause

Von 1940 bis 1945 verhinderte der Krieg die fröhliche Feierei, 1961 verzichtete man darauf, weil es im selben Jahr eine 1 000-Jahr-Feier gegeben hatte, und 2002 erfolgte eine Absage, weil eine Jahrhundertflut Sachsen-Anhalt unter Wasser setzte. Wenn das Fest stattfand, kamen jedoch Neugierige in Massen. Knapp 190 000 Straßenbahn-Fahrgäste wurden bereits 1928 gezählt, rund 200.000 Besucher gab es mehrere Male nach der Jahrtausendwende und auch schon 1975, als zeitgleich ein Jugend-Festival der Freundschaft stattfand. Den absoluten Rekord hält allerdings das Jahr 1999 mit 250.000 Gästen.

Und warum gehen die Leute zum Laternenfest? Vielleicht, weil vieles so ist wie immer. Fischerstechen, Bootskorso und Feuerwerk - das haben Hunderttausende schon als Kinder von der Picknickdecke am Saaleufer aus erlebt, damit wurden später die eigenen Kinder groß und das zeigt man heute den Enkeln. Ganz zu schweigen vom Laternenumzug, der nie wieder so schön ist, wie er als Kind empfunden wird, und dem mancher mit einer Träne im Knopfloch und Wehmut im Herzen bis heute zumindest am Rand der Wegstrecke folgt.

Auf der nächsten Seiten lesen Sie mehr zur Geschichte des Laternenfestes.

Vielleicht sind es aber auch die Künstler, die Tausende anlocken. „Glühwürmchen, Glühwürmchen flimmre“ dirigierte 1934 der Operettenkomponist Paul Lincke höchstselbst. Erfreuten seinerzeit er oder die damals berühmte Tänzerin Marga Indra mit ihren Darbietungen, so wurden nach dem Krieg „Die vier Brummers“, Komikerin Leni Statz und natürlich der hallesche Conferencier Günthi Krause zu Publikumsmagneten. Für Nervenkitzel über der Saale sorgten die Hochseilartisten Geschwister Weisheit in den Siebzigern, für Begeisterung mit vielen anderen in den vergangenen 25 Jahren Nina Hagen, Boney M., die Puhdys, Jürgen Drews, City, Ireen Sheer, Sunrise Avenue, Silly und Revolverheld. Neben international bekannten Stars traten auch immer Musiker von gleich um die Ecke auf, wie der Hallenser Falkenberg oder Klaus Adolphi mit seinen Aberlours.

Regionale Berühmtheit erlangte mittlerweile Jens Thürmer, der Seriensieger der letzten Jahre beim Fischerstechen. Ein Wettbewerb, bei dem es darum geht, sich von Ruderbooten aus gegenseitig ins Saalewasser zu stoßen - von den Sechzigern bis zur Jahrtausendwende wegen der Wasser-„Qualität“ eine besondere Herausforderung. Der Wettbewerb rührt übrigens aus der Hallorenzeit als die Salzschiffe noch in Größenordnungen auf der Saale unterwegs waren.

Was ist neu?

Und was gibt es Neues? Immer mal wieder Überraschendes: eine Tombola 1936, ab 1938 ein Kinderfest, 1949 einen Wettbewerb um ein Laternenfest-Lied, das heute keiner mehr kennt, 1980 die Suche nach einem Schützenkönig und 1991 eine Miss-Wahl. Durchgehalten haben die Enten, seit 1994 ihr erstes Rennen gestartet wurde. Und immer stärker wandelt sich das Laternen- in den letzten Jahren zum Familienfest. Dafür steht nicht nur der traditionelle Laternenumzug, sondern auch seit Mitte der 90er Jahre der Bootskorso „Kunterbunt“, der vor allem für Festteilnehmer mit kleinen Kindern gedacht ist.

„Wir haben das Kinderland, sportliche Herausforderungen, der Indoor-Spielplatz macht mit, für die Kleinsten gibt es eine Papenburg-Baustelle“, zählt Jürgen Reichardt auf. Der 59-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren bei der Organisation des Laternenfestes dabei und heute Chef des Dienstleistungszentrums Veranstaltungen der Stadt. Hier laufen alle Fäden zusammen, wird gebündelt, was das Fest ausmachen soll.

Lange vorbei die Jahre, in denen politische Parolen der Nazi-Zeit dominierten, vorbei, dass bis in die 50er Jahre auf Laternenfest-Plakaten die deutsche Einheit gefordert wurde, vorbei die Zeit der DDR-Fahnen.

Aber auch die starke Kommerzialisierung ist heute nicht mehr erwünscht. „Ein fröhliches und buntes Fest am Fluss soll es sein, Niveau haben, das Rive-Ufer Kunst- und Kleinkunstmeile werden“, beschreibt Jürgen Reichardt. Das wünschen sich wohl alle Gäste, egal, von woher sie kommen. Denn unter sich waren die Hallenser vermutlich noch nie mit ihren Laternen.

Natürlich endet es auch dieses Mal mit einem Feuerwerk. Und natürlich leuchten auch wieder Papierkugeln und -zylinder - brandgefährlich sozusagen. Zum Glück! Denn neumodische LED-Leuchtstäbe brennen zwar nicht ab - aber der gute, alte Mond ist doch tausendmal schöner. (mz)