Kurden-Demo in Halle Kurden-Demo in Halle (Saale): "Die haben in unserem Dorf sogar Ställe bombardiert"

Halle (Saale) - Mit der Forderung nach dem Ende des türkischen Militäreinsatzes in der westsyrischen Region Afrin und dem Ende deutscher Waffenexporte in die Türkei sind 350 Kurden und Unterstützer am Sonnabend in Halle vom Landesmuseum für Vorgeschichte zum Hallmarkt gezogen.
Junge Familien kamen zum Landesmuseum, aus einem Auto wurden Fahnen und Plakate verteilt. Kinder lachten, spielten Fangen in der Masse. Erwachsene unterhielten sich, in den Gesichtern – ernste und besorgte Blicke.
Kurden-Demo in Halle (Saale): „Die haben in unserem Dorf sogar Ställe bombardiert“
Laman Dawuod war eine der Mütter, die am Landesmuseum standen. Sie musste mit ihrer Familie aus dem kurdischen Kanton Afrin flüchten, in den die türkische Armee einmarschiert ist, wo Bomben fallen. „Die haben in unserem Dorf sogar Ställe für Schafe bombardiert“, sagt Laman Dawuod.
Fünf Dörfer hätten die türkischen Bomber dem Erdboden gleich gemacht. Die junge Frau hielt das kleinste ihrer drei Kinder auf dem Arm.
Ihr Mann, Mahir Alo, stand neben ihr. „Einen Staudamm hat die türkische Armee bombardiert und beschädigt“, sagte er. Seitdem gebe es bei ihren Verwandten und Freunden nur noch selten Strom – der Stausee ist Wasserreservoir und Kraftwerk in einem. Auch die Ruinenstadt „Nebi Huri“, archäologische Stätte und Pilgerort, wurde von türkischen Bombern angegriffen. „Einige unserer Freunde sind in die Berge geflüchtet, müssen dort in Höhlen irgendwie überleben“, so Alo.
Demo in Halle (Saale): Kurden sorgen sich um Familienmitglieder in Syrien
Die Demonstration setzte sich zum Reileck in Bewegung, „Biji Berxwedana Rojava“ wird skandiert – „Lang lebe Rojava“, der kurdische Name für die Region, in der die verfolgte Minderheit lebt. Alo erzählte, dass im westsyrischen Afrin jetzt viele auf der Straße lebten, in den Häusern sei es bei den andauernden Bombardements zu gefährlich. „Auffanglager, schützende Gebäude – das haben wir nicht in Afrin“, der Blick des jungen Mannes ist voller Sorge.
„Auch die Lebensmittel gehen irgendwann zur Neige, Afrin ist isoliert. Unsere Freunde werden von Erdogan ausgehungert“, Mahir Alo hat kaum noch Hoffnung, sie wiederzusehen.
Kurden-Demo in Halle (Saale): Wunsch nach mehr Gleichberechtigung
Laman Dawuod und ihre Familie sind noch nicht lange in Deutschland, deshalb übersetzt Amjad Baziana. Auf 350 Personen ist die Demonstration angewachsen, läuft die Geiststraße zum Marktplatz entlang, kurdische Musik tönt aus großen Lautsprechern. „Bis vor 20 Jahren war kurdische Musik in der Türkei verboten, unsere Sprache dürfen wir bis heute nicht offen sprechen“, so der Übersetzer.
Die Sprache werde in der Türkei weiterhin bekämpft, in Schulen wird sie nur als Fremdsprache gelehrt. Auch Baziana ist syrischer Kurde, er wünscht sich Gleichberechtigung: „Unsere eigene Sprache, eigene Musik, eigene Kultur – mehr wollen wir doch gar nicht.“ Seine Forderung an Deutschland: ein Waffenembargo gegen die Türkei.
Kurden-Demo in Halle (Saale): „Die Welt schaut zu, wie unsere Familien bombardiert werden. Und tut nichts.“
Laman Dawuod denkt ununterbrochen an ihre Verwandten: „Alle in Afrin sind von dem Krieg betroffen“, sagt die junge Mutter. Sie klingt resigniert: „Die Welt schaut zu, wie unsere Familien bombardiert werden. Und tut nichts.“ Amjad Baziana nennt Afrin das intellektuelle Zentrum der Kurdenregion. Bisher sei es dort friedlich gewesen: „Erst mit dem Einmarsch der Türkei kam der Krieg“.
Seit Jahren werde von Kurden auf friedlichem Weg, im Parlament, versucht, ihre Ziele zu erreichen, sagt Amjad Baziana. „Selbst dort werden wir bis aufs Blut bekämpft, die Anführer und Abgeordneten unserer Partei, der HDP, sitzen fast alle im türkischen Gefängnis“. (mz)