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Kunstvoller Halle-Führer Kunstvoller Halle-Führer: Rundgang mit attraktiver Hexe

Von Detlef Färber 20.12.2001, 19:40

Halle/MZ. - Will man Stolz oder Scham über das, was ist, besonders eindrucksvoll ausdrücken, dann wird - egal ob in Familien oder Nationen - meist der große Urahn bemüht. "Wenn der alte Sowieso das noch sehen könnte", heißt es - oder im unschöneren Fall: "Nur gut, dass er das nicht mehr erleben muss." Doch was für andere nur Eingangsfloskel zum Staunen, Aufschneiden oder Lamentieren ist, das war für Christina Seidel die zündende Idee für eine kleine Serie literarischer Stadtführungen mit ganz eigenem Reiz.

Nachdem im ersten Band der vom hiesigen DVZ-Verlag herausgegebenen Büchlein Halles tragischer Held Hans von Schönitz sein Halle und das seines Gönners und Vernichters Kardinal Albrecht präsentiert hat, ist im jetzt erschienenen Band Christian Thomasius der Stadtführer. Den großen Juristen und erfolgreichen Kämpfer gegen den Hexenwahn lässt die Autorin just zum Karneval wieder in seiner Stadt auftauchen. Und weil er zuerst einer als Hexe verkleideten Studentin begegnet, haben beide für ihren Dialog beim Stadtrundgang gleich ein Thema.

Das kleine Gespräch zwischen zwei Jahrhunderten lässt in dem kurzweiligen Buch Stadtgeschichte plastisch und nachvollziehbar werden. Parallelen zu heutigen Problemen tauchen auf, wenn Christina Seidel ihren Thomasius etwa auch über kommunalpolitische Kontroversen von einst plaudern lässt: "Die Stadtväter wehrten sich gegen die Errichtung einer Universität. Schließlich gäbe es ja eine Ritter-Akademie", erzählt der Professor, der seine Studenten einst noch im eigenen Wohnzimmer unterrichtete.

Beim gemeinsamen Bummel von Thomasius und seiner munteren Weggefährtin werden auch Halles Kulturkämpfe besprochen. Der Theaterkrieg, den der sittenstrenge Vater Francke vom Zaun brach, fällt Thomasius ein, als die geschichtskundige Studentin vom Umbau der Barfüßerkirche in Halles erstes Theater erzählt. Dazu Thomasius: "Francke würde sich im Grabe umdrehen."

Das Buch ist - wie schon das erste - edel aufgemacht. Der Fotograf Klaus-Peter Röder hat es mit einer Vielzahl ansprechender Ansichten und überraschender Details bebildert. Historische Fußnoten, Anmerkungen zu einzelnen Gebäuden und sogar typische Kochrezepte runden Christina Seidels Geschichte mit Thomasius ab. Die Grafikerin Kerstin Sebastian hat den Gelehrten und spätberufenen Stadtführer in ihren filigranen Illustrationen übrigens etwas dynamischer gezeichnet als man ihn von sonstigen Porträts kennt. So passt er auch besser zu seiner attraktiven Hexe, die die Zeichnerin ihm an die Seite gegeben hat - vielleicht als ein Beispiel für Halles schöne Töchter von heute? - Die würde der Gründungsrektor der Universität sicher auch als weichen Standortfaktor werten, der klar für seine Stadt spricht.

Das Buch "Halle an der Saale - Große Ulrichstraße, Universität, Stadtgottesacker" ist im DVZ-Verlag erschienen und in halleschen Buchhandlungen zum Preis von 19,90 Mark erhältlich.