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Besiegelte Weltgeschichte Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale): Krimi rankt sich um angekauften Schatz

Von Detlef Färber 25.11.2017, 15:00
Kleines Stück, große Wirkung: Das Siegel von Kardinal Albrecht aus dem Jahr 1532.
Kleines Stück, große Wirkung: Das Siegel von Kardinal Albrecht aus dem Jahr 1532. Holger John

Halle (Saale) - Kleine Scheibe, große Wirkung - so viel steht fest: Schon weil man weiß, wer auf der Scheibe zu sehen ist. Und, weil man weiß, dass besagte Scheibe nicht nur einfach ein mit hoher Kunst gearbeitetes Stück ist, sondern dass es sich hierbei um ein Siegel handelt: Nicht irgendeins, sondern um das „Thronsiegel“ des Bischofs und Landesherrn des Erzbistums Magdeburg, das große Teile des heutigen Landes Sachsen-Anhalt umfasste.

Die Rede ist von Kardinal Albrecht (1490-1545), der außerdem Fürstbischof von Mainz und Teilen des heutigen Rheinland-Pfalz’ war. Und der einer der ganz Großen seiner Zeit gewesen ist, was ihn nicht hinderte, die meiste Zeit im kleinen Halle zu residieren.

Neun Zentimeter großer Thronsiegel von Kardinal Albrecht

Und dieses neun Zentimeter große Thronsiegel Albrechts, des berühmten Gegenspielers Luthers in der weltpolitischen und historischen Wende hin zur Neuzeit, ist gerade wieder entdeckt worden: Ein Sensationsfund einerseits, aber alles andere als ein zufälliger, denn Moritzburg-Kustos Ulf Dräger hat es bei einer Auktion ersteigert.

„Sehr günstig“, freut er sich - mehr könne er dazu aber nicht sagen - mit Blick darauf, dass den Ankauf der Freundeskreis der Moritzburg finanziert habe. Und besonders günstig sei der Ankauf zudem in Anbetracht der Tatsache gewesen, dass dieses Amtszeichen einst hundert Gulden - sprich drei Kilo Silber - gekostet habe, was heute einem Wert von mindestens 30.000 Euro entsprechen könnte, so Dräger. Das Siegel stamme übrigens aus der Werkstatt eines der berühmtesten Siegelschneider dieser Zeit, des Nürnbergers Benedikt Braunskorn.

Hans von Schönitz - der Kämmerer Albrechts

Womit wir auch schon mitten drin wären in der Geschichte, die sich mit dem Siegel verbindet - denn: Hans von Schönitz - der Kämmerer Albrechts - hat es 1532 beschafft, einschließlich des zum Bezahlen nötigen Geldes. Da hatte dieser europaweit agierende hallesche Kaufmann und fürstbischöfliche Beamte genau noch drei Jahre bis zu seiner Hinrichtung zu leben.

Einer Hinrichtung, die Martin Luther seinerzeit übrigens scharf verurteilt haben soll - worauf sich die These stützt, es sei ein „Justizmord“ Albrechts an seinem Kämmerer und Vertrauten gewesen: Einem Vertrauten, den Albrecht dann mit Blick auf eine italienische Sängerin als seinen Nebenbuhler betrachten zu müssen glaubte. Und von dem der von chronischer Geldnot geplagte Kunstfreund und Landesherr angesichts von Schönitz’ prächtigem neuen Stadtschloss namens „Kühler Brunnen“ denken musste, der Mann habe ihn gelinde gesagt übervorteilt.

Schönitz war ein großer, europaweit erfolgreicher Unternehmer

Doch Schönitz - so Dräger, der in der Moritzburg dem Landesmünzkabinett vorsteht - Schönitz sei ein großer, europaweit erfolgreicher Unternehmer gewesen. „Er hätte der hallesche Fugger werden können - nein, werden müssen“, so der hallesche Experte für Geldgeschichte. Doch dazu kam er nicht mehr - und so sei es nicht mal auszuschließen, dass das Urteil über Schönitz sogar mit dem von ihm besorgten neuen Amtszeichen besiegelt worden sein könnte, meint Dräger.

Was Dräger dagegen sicher weiß, ist, dass allein schon die Existenz dieses Siegels wichtige weltgeschichtliche Weichenstellungen besiegelt: Zum Beispiel die Ausdehnung des Einflussbereichs von Brandenburg als der Keimzelle des später so mächtig gewordenen Preußen: Kardinal Albrecht von Brandenburg stand hier mit an der Wiege - und brauchte, nach der Ausdehnung seines Machtbereichs durch neue Beistandsverträge just 1532 dieses neue Amtssiegel.

Siegel wieder heimgekehrt nach Halle

Als Albrecht neun Jahre später vor Luthers Reformation aus Halle fliehen musste, nahm er mit seinen in der Stadt angehäuften Schätzen wie dem „Halleschen Heiltum“ auch das wertvolle Siegel mit. Später bezahlte er mit Einzelstücken daraus seine Schulden ab und zerstreute so diesen Schatz in alle Welt.

Nun ist zumindest das kleine Siegel wieder heimgekehrt nach Halle - und schon in der Moritzburg in einer Vitrine zu sehen! (mz)

Martin Luther
Martin Luther
Landesmuseum für Vorgeschichte/Motion Works GmbH
Hans von Schönitz, der Kanzler von Kardinal Albrecht
Hans von Schönitz, der Kanzler von Kardinal Albrecht
MZ