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Kostenlos mit Bus und Bahn Kostenlos mit Bus und Bahn: Halle als Modellstadt - Wie realistisch ist die Idee?

Von Silvia Zöller 16.02.2018, 05:00
Fahrkartenautomat
Fahrkartenautomat Günter Bauer

Halle (Saale) - Einfach in Busse und Bahnen einsteigen und kostenlos von A nach B kommen? Das soll laut Koalitionsvertrag in einigen Städten Deutschlands als Modellprojekt ausprobiert werden - nach dem Wunsch der Grünen sollte auch die Saalestadt dazu gehören. „Halle ist landesweit die Stadt mit den höchsten Schadstoffbelastungen“, sagt Wolfgang Aldag, Stadtrat der Grünen und Landtagsabgeordneter. Deshalb drohe der Stadt auch eine Klage der deutschen Umwelthilfe - und deshalb stelle sich die Frage, warum in dem Modellversuch bislang nur westdeutsche Städte vorgeschlagen worden seien.

Saubere Luft durch mehr Nutzer im öffentlichen Nahverkehr: Das Modellprojekt gefällt auch dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV). Der Verbund könnte als Testgebiet für einen kostenlosen Nahverkehr erschlossen werden und der Weg dorthin solle ausgelotet werden, sagte MDV-Geschäftsführer Steffen Lehmann der Deutschen Presseagentur.

Kostenloser ÖPNV: Tests in Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim

Ganz so einfach scheint dies aber nicht zu sein, erläutert der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby: Bislang seien der Europäischen Union (EU) in einem Brief der Minister Hendriks (Umwelt), Schmidt (Verkehr) und Kanzleramtsminister Altmeier Tests in Bonn, Essen, Herrenberg, Reutlingen und Mannheim vorgeschlagen worden. „Wenn diese erfolgreich abgeschlossen worden sind, könnten auch weitere Städte berücksichtigt werden. Meine Hoffnung ist, dass Halle dann dabei ist“, so Diaby.

Hintergrund ist, dass die EU Auflagen hinsichtlich der Luftreinheit in deutschen Städten gemacht hat, die nun mit dem Pilotprojekt ausgetestet werden sollen. Aber: Bislang sind das nur Vorschläge, auch die Länge der Testphase sei noch offen. Dass Halle noch mit in das Programm hineinrutscht, hält Diaby für utopisch.

ÖPNV: In Halle fallen rund 120 Millionen Euro Gesamtkosten pro Jahr an

Auch CDU-Fraktionschef Andreas Scholtyssek glaubt nicht an ein solches großes Geschenk: „Halle liegt zwar über der vorgeschriebenen Schadstoffgrenze, aber nur knapp. Zudem sinken die Werte jedes Jahr.“ Städte etwa im Ruhrgebiet würden deutlich höhere Werte aufweisen.

Der hallesche CDU-Verkehrsexperte Ulrich Peinhardt begrüßt zwar grundsätzlich die Idee, hat aber ebenso Zweifel - schon wegen der hohen Kosten: Für einen ticketfreien Nahverkehr in Halle fallen rund 120 Millionen Euro Gesamtkosten pro Jahr an, die bezahlt werden müssten.

Von wem? „Im MDV wurde das schon untersucht. Wenn die Kosten über eine Steuer oder eine Umlage finanziert werden sollten, geht das nur über neue Gesetze. Rechtlich ist das im Moment nicht möglich.“ Wenn überhaupt, glaubt Peinhardt, mache nur eine Lösung für das gesamte Gebiet des MDV Sinn, da sonst das Tarifkonzept durcheinander gerate. Und auch für Pendler würde das zum Problem: Bis zur Stadtgrenze von Halle ist der Nahverkehr kostenlos, ab da kostet er dann.

SPD-Fraktionschef Johannes Krause hat einen weiteren Vorschlag: Ein Modellprojekt sei nur machbar, wenn der Bund die Kosten übernimmt. „Aber warum denken wir nicht über Stufenmodelle nach, bei denen die Tickets nach und nach günstiger werden?“ Andere Staaten machten schon lange vor, dass kostenloser Nahverkehr möglich ist - so etwa in Estlands Hauptstadt Tallinn.

Auch bei der Havag wird die Idee begrüßt - jedoch wenig konkret: „Wir freuen uns über die Initiative des Bundes. Sie kommt überraschend und sicher müssen die finanziellen Voraussetzungen dafür geschaffen werden“, so Matthias Lux, Geschäftsführer der Stadtwerke. Havag-Chef Vinzenz Schwarz unterstreicht, „dass der ÖPNV auf diese Weise einen ganz wesentlichen Beitrag zur Luftreinhaltung und zum Klimaschutz in Deutschland, und im speziellen in der Stadt Halle, leisten kann und damit Problemlöser sein kann.“

Die Grünen wollen das Thema nun am 8. März in den Landtag einbringen und fordern, dass Halle Modellstadt wird. (mz)