Kanuslalom Kanuslalom: Von der Notaufnahme ins Boot

Markkleeberg/MZ - Die Haut wirkte trotz der Sonnenbräune nach vier Wochen Trainingslager in Australien blass. Und auch seine Augen verrieten, dass Kai Müller nicht auf dem Damm ist. Doch das alles war nicht wichtig. Wichtig war eigentlich nur eines: Dass er gerade zusammen mit seinem Zwillingsbruder Kevin den nationalen Tüv auf dem Markkleeberger Wildwasser-Parcours bestanden hatte. Nun also können die internationalen Herausforderungen kommen. Der Zweiercanadier des Böllberger SV wird, das ist nach diesem außergewöhnlichen Wettkampf amtlich, bei der EM Ende des Monats in Wien dabei sein. Und auch bei der WM im September in Deep Creek in den USA dürfen die Hallenser sich mit der Elite messen.
„Es war die Sache wert“, sagte der geschaffte Kai Müller hinterher. Dabei ging es bei den insgesamt vier Mal knapp 110 Sekunden auf dem brodelnden Wasser ans Eingemachte. „Glücklicherweise haben wir eine Topkondition.“ Das immer wieder harte Training zahle sich nun aus.
Vier Wettbewerbe gingen in das Gesamtergebnis ein. In den ersten beiden Rennen mit jeweils Vor- und Endlauf am ersten Mai-Wochenende in Augsburg waren die Müller-Brüder auf den Rängen zwei und fünf einkommen. Diesmal standen die Plätze drei und zwei zu Buche. Das schlechteste Ergebnis wurde gestrichen. Das ergibt (2+3+2) Platzziffer sieben. Noch besser waren die Merseburger Robert Behling und Thomas Becker, die zweimal gewannen und einmal Dritter wurden (3+0+0=3). Franz Anton und Jan Benzien aus Leipzig (0+2+2=4) qualifizierten sich ebenfalls. David Schröder und Nico Bettge (Leipzig/6+4+0=10) scheiterten.
Was er damit sagen wollte: Der zweigeteilte Wettkampf in Sachsen stand für ihn unter keinem guten Stern. Am Tag vor der ersten Prüfung am Samstag hatte der Slalomkanute mit Fieber im Bett gelegen. Am Abend ging es ihm so schlecht, dass er sogar in Leipzig die Notaufnahme aufsuchte. Doch im Wartezimmer überlegte er es sich anders. „Ich habe geahnt, dass ein Attest uns den EM-Startplatz kosten würde“, erklärte Kai Müller. Und um dann noch zur WM zu dürfen, wäre ihnen wahrscheinlich nur der Umweg über die Weltcups geblieben. „Das wollte ich möglichst vermeiden“, gab der 25-Jährige zu.
Zähne zusammenbeißen
Also lieber die Zähne zusammenbeißen und sich sauber qualifizieren, um jedweder Diskussion aus dem Weg zu gehen. Statt in Selbstmitleid zu versinken oder über das schlechte Timing zu lamentieren, studierte er das Video, das sein Bruder von der ausgehängten Strecke mitgebracht hatte, warf sich eine Tablette ein und trat dann - hochfokussiert auf die Prüfung - die Flucht nach vorn an.
Eine Entscheidung, die der Bundestrainer akzeptierte. „Jeder muss so etwas mit sich selbst ausmachen nach bestem Wissen und Gewissen“, sagte Michael Trummer. „Die Gesundheit steht natürlich im Vordergrund.“ Er bestätigt aber auch, dass bei einem Rückzug aus gesundheitlichen Gründen die aktuellen deutschen Meister die EM hätten abschreiben müssen. Mit den Leipzigern David Schröder und Nico Bettge stand schließlich ein weiteres vielversprechendes Duo in Lauerposition. So lobte Trummer den Kampfgeist der BSV-Besatzung. „Man sieht, dass die Leistung da ist, ich bin zuversichtlich, was die beiden betrifft.“
Das Gefühl, möglicherweise die falsche Entscheidung getroffen zu haben, kam bei Kai Müller jedenfalls zu keiner Zeit auf. „Wir wollten alle Tore sauber nehmen, das ist uns gelungen“, sagte der Vordermann der Zwei-Mann-Crew. Eine riskante Fahrweise wurde vermieden - das Ergebnis gab ihnen recht.
Vertrauen in Bruder
Auch Kevin Müller wurde nicht von Zweifeln heimgesucht. Er vertraute seinem Bruder. Schließlich weiß er nur zu gut, wie sich dieser gerade fühlt. Denn bei den ersten beiden Rennen eine Woche zuvor in Augsburg war er nicht fit gewesen. Zwillinge müssen offenbar alles teilen - auch die schlechten Erfahrungen.
In den nächsten Tagen wird Kai Müller sich aber zurücknehmen. Erst wenn die Nase wieder frei ist und das Kratzen im Hals weg, wird er sich zum Training ins Boot setzen. „Wir werden nichts tun, was die EM gefährden würde. Das Schlimmste wäre, sich nicht richtig auszukurieren und die Erkrankung zu verschleppen“, sagt Kai Müller und spricht da auch für seinen Bruder - jetzt, wo sie das heiß ersehnte Ticket endlich in den Händen halten. Der ganze Einsatz soll nicht umsonst gewesen sein.