Kampfmittel am Weinberg Kampfmittel am Weinberg: Das sagt ein Bombenexperte über Halles geheime Waffenverstecke

Halle (Saale) - Am 30. Juni 1945 ziehen die amerikanischen Soldaten der 104. Infanterie-Division aus Halle ab. Die „Timberwölfe“, wie sie sich nennen, hatten am 19. April die Stadt unblutig eingenommen - nach Verhandlungen mit Felix Graf von Luckner. Die US-Truppen übergeben Halle am 1. Juli an die Rote Armee. War es ein eiliger Aufbruch der Timberwölfe? Hatten sie ihre Munitionslager vergessen, die sie im Stadtgebiet offenbar angelegt hatten? Oder ließen sie Waffen und Munition in Gruben wie an der Heideallee bewusst zurück?
„Ich schließe nichts aus“, sagt am Donnerstag Jörg Kampa, Chef eines privaten Munitionsbergungsdienstes, der die Arbeiten am Gimritzer Damm begleitet.
Waffenarsenal in 60 Zentimeter Tiefe auf Baustelle entdeckt
Mitarbeiter seiner Firma hatten am Dienstag am Weinberg-Campus in 60 Zentimetern Tiefe ein Waffenarsenal der Amerikaner aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, darunter 25 Handgranaten, mehrere hundert Schuss Infanteriemunition sowie sechs Panzerfäuste.
Der Kampfmittelbeseitigungsdienst kümmert sich um Abtransport und Vernichtung. „Die Munition war ordentlich vergraben“, sagt Kampa.
Explosiver Fund am Weinberg Campus: Wie die Kampfmittel vorübergehend gesichert werden
Vermutlich lagen die Kampfmittel in einer oder mehreren Holzkisten, die im Erdreich allerdings verrottet sind. Aus Sicherheitsgründen wurde die Fundstelle im Kreuzungsbereich Heideallee/Walter-Hülse-Straße mit einem Bauzaun abgesperrt. Außerdem wurden große Packs mit Sandfüllung aufgestapelt. Sollte es doch zu einer Explosion kommen, würde der Wall als Splitterschutz dienen.
Am Mittwoch musste außerdem die Polizei den Fundort abriegeln. „Es gab immer wieder Fußgänger, die die Absperrungen ignorierten“, schildert Kampa. Vermutlich noch bis Freitag werden seine Leute das Erde-Sand-Gemisch aus der freigelegten Grube aussieben, um nach weiterer Munition zu suchen. Noch immer finden sie Patronen, während Iris Rudolph von den Stadtwerken versichert: „Wir haben alles im Griff.“
Explosiver Fund am Weinberg Campus: Bombenexperte wundert der Fund nicht
Den Bombenexperten Jürgen Schmidt wundert der Fund nicht. Fast 20 Jahre hat er für den Kampfmittelbeseitigungsdienst gearbeitet und im Verlauf dieser lebensgefährlichen Karriere im Süden des Landes 100 Bomben entschärft. „Solche unterirdischen Munitionslager gibt es überall. Und ich gehe davon aus, dass meine Kollegen noch für 30 bis 40 Jahre mit solchen Funden zu tun haben“, sagt Schmidt. Im vergangenen Jahr war in der Neustadt eine Flak-Stellung ausgegraben worden - die Deutschen hatten sie 1945 verbuddelt.
Russen ließen sechs Tonnen Munition in der Heidekaserne zurück
Aber es sind nicht nur die Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg, die bis heute Sprengmeister wie Schmidt beschäftigen. Als im Herbst 1991 die Sowjetarmee die Heidekaserne in Halle verließ, trauten die Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes ihren Augen nicht. „Die Russen hatten sechs Tonnen Munition zurückgelassen, hauptsächlich Granaten“, erinnert sich Schmidt.
Von ihrer tödlichen Sprengkraft hat die Munition nichts eingebüßt. Im Gegenteil, sagt Jörg Kampa: „Durch chemische Verbindungen, die durch Feuchtigkeit im Boden entstehen, wird die Munition gefährlicher.“ (mz)
