Kampf als Gewerkschafter für Arbeitnehmer Kampf als Gewerkschafter für Arbeitnehmer: Johannes Krause: "Die Lage ist prekär"

Halle (Saale) - Für einen Gewerkschafter gibt es nichts Schlimmeres, als eine Massenentlassung begleiten zu müssen. 1990, Gipswerk in Rottleberode. Die Wende-Euphorie ist bei den Mitarbeitern längst der nackten Angst gewichen. Von über 1.000 Beschäftigten müssen 600 gehen. Johannes Krause, der nach dem Mauerfall den betrieblichen runden Tisch im Gipswerk leitete und nun den Betriebsrat vorsteht, spürt Wut und Enttäuschung. Er, der Gewerkschafter, ist unkündbar.
Damit macht man sich bei den Arbeitern nicht nur Freunde. „Wir konnten den Jobabbau nicht verhindern, nur begleiten. Immerhin haben wir gute Abfindungen ausgehandelt und eine Beschäftigungsgesellschaft für die Leute gegründet, die nicht bleiben konnten“, erzählt er. Krause ist in der „neuen Zeit“ Gewerkschafter geblieben. Seit 1997 ist er Regionalvorsitzender des DGB für das südliche Sachsen-Anhalt. In diesen Tagen feierte der Wahl-Hallenser seinen 60. Geburtstag.
Johannes Krause: Aufgaben für Gewerkschaften haben sich verändert
Die Aufgaben für Gewerkschaften hätten sich verändert, sagt er. „In den 90er Jahren waren wir die Feuerwehr. Heute sind die Probleme der Arbeitnehmer individueller. Es geht um Mobbing, Diskriminierung und fehlende Mitbestimmung, weil sich manche Firmenchefs wie Gutsherren aufführen“, sagt der gelernte BMSR-Techniker. 1958 ist er in Haldensleben geboren, die Schule besuchte Krause im beschaulichen Stolberg im Harz.
Im Juli 1991 schloss er sich dem DGB an, wurde zunächst Kreisvorsitzender des Gewerkschaftsbundes in Naumburg. Seit 1997 lebt der Sozialdemokrat, der ledig ist, in Halle. Gewerkschaften und Betriebsräte, meint er, seien wichtiger denn je. „Die Freiheit, die wir uns einmal erkämpft haben, ist kein verbrieftes Recht. Wir müssen sie täglich verteidigen“, sagt er.
Johannes Krause: Es fehlen Großbetriebe im produzierenden Gewerbe wie im Westen
Und er sorgt sich um die Zukunft. „Wenn im neunten Jahr der Hochkonjunktur noch immer viele Menschen nicht von ihrer Arbeit leben können und Unterstützung des Staates brauchen, dann ist die Lage prekär.“ 30 Prozent der Hartz-IV-Empfänger in Halle wechseln aus der Langzeitarbeitslosigkeit in Zeitarbeitsfirmen. „Es fehlen Großbetriebe im produzierenden Gewerbe wie im Westen. Wir reden bei uns vom Mittelstand, wenn ein Betrieb 250 Beschäftigte hat. In den alten Ländern sind es 2.000 Mitarbeiter.“
Und er steht hinter dem Vorschlag der Gewerkschaften, einen Demokratiefonds anzulegen, um die Renten für künftige Generationen zu sichern. Das überschüssige Geld, das die Rentenversicherung bunkert, sollte in diesen Topf fließen und vor 2030 nicht angefasst werden. „Viele Arbeitnehmer haben heute Angst, dass sie im Alter nicht wissen, wovon sie leben sollen. Und alleine mit privater Vorsorge können wir die drohende Armut nicht verhindern. Hier ist die Gesellschaft gefordert“, sagt Krause.
Privat hat der 60-Jährige drei Hobbys: Wandern in der Natur, lesen und die Stadtpolitik. Krause führt die SPD-Fraktion im Stadtrat, sitzt in den Aufsichtsräten der Stadtwerke, der Halleschen Wohnungsgesellschaft und der Energieversorgung. „Das Klima in der Gesellschaft ist rau geworden. Umso wichtiger ist es, dass wir gemeinsam die Demokratie schützen: Arbeitgeber, Gewerkschaften, Kirchen und auch die Politik.“ 2019, wenn der neue Stadtrat gewählt wird, will Krause wieder für die SPD antreten. „Es gibt noch viel zu tun“, sagt er. Fürs Altenteil sei er zu jung. (mz)