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Kämmersänger verstorben Kämmersänger verstorben: Letzte Ruhe für Milchmann Tevje

Von Katja Pausch 09.08.2012, 18:49

Halle (Saale)/MZ. - "Ich kannte Jürgen Krassmann seit 1971", erzählt Bernd Leistner. Der pensionierte, langjährige Bühnenbildner und Ausstattungsleiter am halleschen Opernhaus, der als einer der Ersten vom Tod des einstigen Kollegen erfahren hatte, habe Krassmann während der gemeinsamen Arbeit an Händels "Ariodante" kennen- und schätzen gelernt. "Er war ein brillanter Sängerdarsteller - und ein Erzkomödiant", beschreibt Leistner den Menschen und Künstler Jürgen Krassmann.

Vor allem für Händel-Partien war der mit dem Titel "Kammersänger" geehrte Künstler prädestiniert. Allein in elf halleschen Händel-Inszenierungen hat der Bariton brilliert. Doch sein Wirkungsfeld umfasste letztlich das gesamte gängige Fachrepertoire von Wagner bis Verdi, von Strauss bis Strawinsky, von Oper, Operette bis hin zum Musical.

Jürgen Krassmann, gebürtiger Görlitzer, wollte schon frühzeitig Sänger werden, studierte an der Dresdner Musikhochschule und hatte im August 1963 als Gast in der Titelrolle von Verdis "Rigoletto" am hiesigen Opernhaus - damals noch Landestheater - sein Debüt in der Saalestadt.

Er blieb dem Haus über 35 Jahre lang treu und errang in unzähligen Rollen die Liebe des halleschen Publikums ebenso wie den Applaus auswärtiger Zuschauer bei seinen zahlreichen Gastspielen. Krassmann hat sich nach dem lyrischen und italienischen Fach auch durch das Charakter und Heldenfach gesungen, er war Don Giovanni, Falstaff und Macbeth, er war der Fliegende Holländer und natürlich der Milchmann Tevje aus "Anatevka". Nicht nur in dieser Glanzrolle, in der Krassmann den Tevje wunderbar schlitzohrig verkörperte, wird der Sänger dem halleschen Publikum unvergessen bleiben. Er hat Königen und Dienern, Schurken und tragischen wie komischen Helden einen lebendigen Ausdruck und ein stimmliches Format verliehen.

In insgesamt 47 Theaterjahren hat der sympathische Opernbarde, dem neben anderen Auszeichnungen auch der Händelpreis verliehen wurde, rund 130 Partien gesungen. Zu einer Institution geworden, vom Publikum geliebt und von den Theaterkollegen geschätzt, galt Jürgen Krassmann als "Vater des Ensembles", der das Profil des halleschen Musiktheaters wesentlich mitprägte. Gastspiele unter anderem an der Dresdner und Berliner Staatsoper oder auch an der Komischen Oper Berlin unterstreichen sein hohes sängerisches Potenzial.

Krassmann selbst bekannte zum Abschied von der halleschen Opernbühne, den er im Juni 1998 in der Rolle des Barons Weps im "Vogelhändler" nahm: "Ich kann sagen, dass ich im geliebten Beruf die Erfüllung fand und im wahrsten Sinne des Wortes befriedigt von den Brettern, die unsere Welt bedeuten, scheide."