1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. K.o.-Tropfen im Drink: K.O.-Tropfen im Getränk: Hallesche Studentin erzählt von ihrer Horror-Nacht

K.o.-Tropfen im Drink K.O.-Tropfen im Getränk: Hallesche Studentin erzählt von ihrer Horror-Nacht

Von Oliver Müller-Lorey 11.08.2017, 04:00

Halle (Saale) - Das letzte, woran sie sich erinnern kann, ist, wie sie die Kabinentür in der Damentoilette einer halleschen Diskothek zugeschlossen hat. Dann folgt ein stundenlanger Filmriss, bis die 24-jährige Studentin am nächsten Mittag bei einer Freundin im Wohnzimmer aufwachte.

Wie sie dorthingekommen ist, daran kann sie sich nicht erinnern. Irgendjemand mischte der jungen Frau K.o.-Tropfen ins Getränk. Wie sie heißt, was sie studiert, wie sie aussieht - das alles soll geheim bleiben. Zu groß ist immer noch die Scham, dass gerade sie Opfer von K.o.-Tropfen wurde.

Studentin erzählt von Horror-Nacht: Wer schüttete ihr die K.o.-Tropfen ins Glas?

Der Abend Anfang des Jahres begann unspektakulär. „Ich bin mit einer Freundin spontan nach der Uni weggegangen“, sagt die Studentin. Kurz etwas essen und dann, gegen zehn Uhr, zur After-Work-Party in einen Club in der Innenstadt. „Wir haben uns jeweils einen Drink pro Person bestellt. Das Getränk, da ist sie sich sicher, habe sie die ganze Zeit ohne Unterbrechung in der Hand gehalten und nie irgendwo abgestellt.

Die beiden nippten an ihren Gläsern, tanzten und unterhielten sich, bis es der Studentin plötzlich schummrig vor Augen wurde. Sie ist sich sicher: Jemand muss ihr unbemerkt etwas ins Glas in ihrer Hand geschüttet haben. „Irgendwas stimmte nicht. Mein Kreislauf brach ein, mir war nicht übel, so wie wenn man zu viel getrunken hat, sondern mehr schummrig.“

K.o.-Tropfen im Glas: Studentin ging es immer schlechter, die Sanitäter nahmen sie nicht ernst

Auf der Toilette ging es ihr von Minute zu Minute schlechter. Alles, was dann folgt, weiß sie nur aus Erzählungen ihrer Freundin. Nur mit viel Überredung habe sie die Kabinentür aufgeschlossen und ihre Freundin hineingelassen. „Man hat mir angesehen, dass es mir schlecht ging. Ich habe mich übergeben, mein ganzer Körper war total schlapp.“

Mindestens eine Stunde hockten die beiden ohne Hilfe in der Toiletten-Kabine, bis der Türsteher sie irgendwann regelrecht rausgeworfen habe. Sowohl er als auch die Sanitäter des Krankenwagens, der dann kam, hätten geglaubt, dass sie einfach betrunken sei. Deshalb hätten sie sie auch nicht ins Krankenhaus fahren wollen, sondern zu ihrer Freundin nach Hause. „Zu diesem Zeitpunkt hatte ich Atemaussetzer. Meine Freundin hat gedacht, dass ich sterbe.“

Weil sich die Freundin von den Sanitätern habe breitschlagen lassen, seien beide dann zu ihr nach Hause gefahren worden. „Ich musste die Treppen hochgetragen werden, weil ich mich nicht mehr bewegen konnte“, wird der Studentin später erzählt. Ihre Erinnerung setzt erst am Mittag wieder ein.

K.o.-Tropfen in Halle (Saale): Opferberatungsstelle „Weißer Ring“ schlägt Alarm

Nach ihrer Horror-Nacht wendete sie sich an die Opferberatungsstelle „Weißer Ring“. Christina Jesse und Kerstin Schimanski sind Mitarbeiterinnen der Außenstelle Halle und schlagen Alarm, was den Einsatz von K.o.-Tropfen in Halle betrifft. „Es wird gefühlt mehr, was ich aus meinem privaten Umfeld höre“, sagt Schimanski. Doch die Opfer würden viel zu selten Anzeige erstatten.

Der Weiße Ring reagiert nun und will Hunderte Bierdeckel mit Warnungen vor und Informationen zu K.o-Tropfen in halleschen Discos verteilen. „Allerdings weiß ich nicht, ob das in den Clubs gut ankommt“, sagt Jesse. Falls die Club-Betreiber nicht kooperieren würden, wollen sie die Deckel in der Mensa verteilen. Auch diskrete Poster, etwa an der Innenseite der Damentoiletten-Tür könne sie sich vorstellen, wenn Disco-Betreiber Angst haben, durch die Bierdeckel könnte ihr Geschäft an der Bar leiden.

K.o.-Tropfen in Halle (Saale): Wie bewertet die Polizei das Problem?

Bei der Polizei tut man sich mit einer Bewertung des Problems schwer. Gefährliche Körperverletzung durch K.o.-Tropfen sei keine eigene statistisch erfasste Deliktgruppe, sagt Polizeisprecherin Lisa Wirth. Trotzdem könne man keine steigende Tendenz erkennen. Die Zahl der Fälle, in denen K.o.-Tropfen eine Rolle spielen würden, gehe gar gegen null. „Es ist aber gut möglich, dass das Dunkelfeld hier relativ hoch ist“, sagt Wirth. Denn die Polizei wisse nur von Fällen, die angezeigt würden.

Der Fall der Studentin aus Halle ist nicht dabei. Sie hatte keine Hoffnung, dass der Täter nach anderthalb Tagen, als sie realisierte, dass sie Opfer von K.o.-Tropfen geworden war, noch gefunden werden kann. Seit dem Vorfall trinkt sie in Clubs auf der Toilette aus dem Wasserhahn und hat nie wieder ein Getränk bestellt. (mz)

››Gewaltopfer finden beim Weißen Ring Hilfe unter Tel.: 0345/2 90 25 20. (mz)