Jürgen von der Lippe Jürgen von der Lippe: Eisbär mit Asthma erklärt die Welt
Halle/MZ. - Gut möglich, dass Jürgen von der Lippe seine Bühnenauftritte derzeit ganz besonders genießt. Hier - dessen darf er sicher sein - mosert keiner; hier brandet ihm uneingeschränkter Jubel entgegen; hier kann er sagen, was er will - die Menge tobt. Und dass ein Auftritt wegen mangelnden Interesses abgesagt werden muss, das kommt schon gar nicht vor. Im Steintor-Varieté nimmt er gleich an neun Abenden die Huldigungen seiner Fans entgegen.
Die scheinen dem Entertainer seine hochgradig dusselige Sat-1-Sendung "Blind Dinner" nicht sonderlich übel zu nehmen. Besteht ja auch kein Grund zu. Auf der Bühne wird schließlich nicht gekocht - da darf zweieinhalb Stunden abgelacht werden: Immer hart an der Gürtellinie, meistens ein Stückchen darunter. Nicht eindeutig zweideutig, sondern eindeutig eindeutig.
So erklärt er die Welt und stellt die drei entscheidenden Fragen: Was kann ich wissen? Was kann ich glauben? Was soll ich tun? Von der Lippe erläutert die Unterschiede zwischen Mann und Frau und erklärt, was wir von den Tieren lernen können; er beschreibt das Liebesspiel der Wale und den erstaunten Blick eines kastrierten Dobermanns.
Da steht also ein 53-jähriger Wohlbeleibter auf der Bühne, hat soeben erklärt, dass der Mann, wenn er sich dem Höhepunkt seiner Lust nähert, einem Gewichtheber mit Verstopfung ähnelt und Geräusche
macht, wie ein asthmatischer Eisbär. Da steht er dann und japst und japst, und mit jedem Japser wird das Gekreisch heftiger. Lustig? Nun ja, was soll man sagen? Irgendwie halt schon, man kann sich dem schlecht entziehen. Denn eigentlich ist sehr unwichtig, was von der Lippe sagt, als vielmehr, wie er es sagt. Der Entertainer kann auch den ältesten Kalauer der Welt so präsentieren, dass das Publikum tobt. Jürgen von der Lippe, keine Frage, kann prima Witze erzählen.
Was ihn zudem uneingeschränkt sympathisch macht, ist seine Fähigkeit zur Selbstironie. Er halte sich kaum noch in Kneipen auf, sondern immer öfter in Konditoreien, sagt er - weil er auch mal einer der jüngeren im Raum sein möchte.
"So bin ich", heißt die Show - aber das darf bezweifelt werden. Gut möglich nämlich, dass von der Lippe sich danach sehnt, vom Publikum nicht allein als Zotenkönig wahrgenommen zu werden. So gibt es eine CD, auf der er zwischen melodiös-romantischen Klängen klassische Gedichte rezitiert (das hat er schon bei seiner ARD-Show "Geld oder Liebe" gern gemacht).
Von der Lippe weiß um sein großes Privileg: "Ich kann alles sagen, was ich will." Kann er wirklich - gebrüllt wird immer. Der erste Satz des Abends lautet: "Ich hasse bunte Hemden" - ein Brüller. Ein Brüller wäre wohl auch, wenn er sagen würde, dass sein wahrer Name Hans-Jürgen Dohrenkamp ist und dass er in Bad Salzuflen an der Lippe geboren wurde. Als Sohn eines Barmixers und einer Diätköchin.
Donnernder Applaus, drei Zugaben.
Bis zum 4. November täglich außer am 31. Oktober im Steintor-Varieté. Wenige Restkarten sind noch erhältlich.