1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Jugendliche Partys am Landesmuseum: Jugendliche am Landesmuseum Halle: Alternative Peißnitz kommt für sie auch nicht infrage

Jugendliche Partys am Landesmuseum Jugendliche am Landesmuseum Halle: Alternative Peißnitz kommt für sie auch nicht infrage

Von Oliver Müller-Lorey 20.08.2018, 07:00
Das Landesmuseum für Vorgeschichte - hier eine Aufnahme vom späten Mittwochabend - ist zum beliebten Treff von Jugendlichen geworden.
Das Landesmuseum für Vorgeschichte - hier eine Aufnahme vom späten Mittwochabend - ist zum beliebten Treff von Jugendlichen geworden. Silvio Kison

Halle (Saale) - Die Party ist eröffnet: Um Punkt 20 Uhr parkt ein Auto vor dem Landesmuseum für Vorgeschichte, drei Jugendliche steigen aus, vollbepackt mit Bier- und Schnapsflaschen. Schnurstracks gehen sie auf eine breite Nische in der Fassade zu und setzen sich auf einen Vorsprung. Plopp, erst ein Bier wird geöffnet, dann das nächste.

Für die Anwohner sind trinkende und feiernde Jugendliche vor dem Museum, in dem die berühmte „Himmelsscheibe von Nebra“ ausgestellt ist, nichts Neues. Inzwischen beschäftigt sich mit ihnen sogar der Landtag. Der hallesche SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Schmidt (SPD) fragte, wie viele Polizei- und Ordnungsamt-Einsätze es gegeben habe.

Landtagsabgeordneter bezichtigt OB Wiegand der Lüge

Die Antwort des Innenministeriums: „Im Jahr 2015 kam es zu neun, 2016 zu sieben, im Jahr 2017 zu elf und im ersten Halbjahr 2018 zu 22 polizeilichen Einsätzen.“ Bezogen auf das Ordnungsamt heißt es, die Zahlen für 2015 bis 2017 ließen sich nicht mehr ermitteln. 2018 habe es im Mai vier und im Juni zwölf Einsätze gegeben.

Daraufhin verfasste Schmidt eine Presseerklärung, in der er Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) der Lüge bezichtigt. „Er hat auf Anwohnerfragen hin erklärt, das Ordnungsamt sei nahezu jeden Abend vor Ort. Die Antwort auf meine Kleine Anfrage offenbart, dass der Oberbürgermeister die Öffentlichkeit hier belogen hat“, so Schmidt. Das Ordnungsamt sei nur 16 Mal ausgerückt, was von „nahezu allabendlich“, wie Wiegand gesagt habe, weit entfernt sei.

Landtagsabgeordneter: Ordnungsamt Halle erteilt zu wenige Platzverweise

Außerdem erteile das Ordnungsamt zu wenige Platzverweise. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Anwohner. Die Belästigung, denen sie ausgesetzt sind, wurden und werden nicht ernst genommen und durch den Oberbürgermeister - offensichtlich wider besseren Wissens - verharmlost.“

Die Jugendlichen, die sich am Samstagabend vor dem Museum niedergelassen haben, haben inzwischen Gesellschaft bekommen. Sechs Freunde sind zu ihnen gekommen. „Wir wissen schon, dass es laut ist, aber auf die Peißnitz können wir nicht gehen. Da wirst du nur abgezogen“, sagt ein 18-jähriger Hallenser, der seinen Namen nicht nennen will, mit Verweis auf wiederholte Raubüberfälle. Seine Freunde pflichten ihm bei: „Zum Schulabschluss ist auf der Peißnitz nur Gekloppe. Einfach mal eine Stunde auf die Wiese setzen und ein Bier trinken, geht nicht mehr“, meint einer.

Jugendlicher am Landesmuseum: Hier herrscht keine aggresive Stimmung

Vor dem Landesmuseum treffe man sich nicht, weil es dort so schön sei. „Wir sind hier, weil hier keine aggressive Stimmung herrscht.“ Nicht nur ihre Gruppe traue sich nicht mehr auf die Peißnitz. Wie zum Beweis meldet die Polizei am Samstag gegen 1.30 Uhr eine Schlägerei zwischen zwei Gruppen in der Peißnitzstraße. Vier 20-Jährige wurden geschlagen, ein anderer mit einem Messer bedroht. Am Freitag hatte ein Unbekannter einem 16-Jährigen eine Musik-Box geraubt. Als dieser sich wehrte, wurde er geschlagen.

Die Jugendlichen haben sich damit abgefunden, dass es auf der Peißnitz zu gefährlich ist und sie vor dem Landesmuseum inzwischen nicht mehr erwünscht sind. Seitdem die Polizei und das Ordnungsamt häufiger vorbeischaue, seien es weniger Jugendliche geworden. Deshalb packt die friedliche Gruppe gegen 21 Uhr ihre Sachen und zieht weiter in Richtung Thomas-Müntzer-Gymnasium. Dort gebe es einen Bolzplatz als beliebten Treff.

Die Stadt wehrt sich indes gegen den Vorwurf, man verharmlose das Problem: „Die Antwort der Stadt zur Tätigkeit des Ordnungsamtes wurde vom Land nicht vollständig wiedergegeben“, sagt Stadtsprecher Drago Bock. Alle Anzeigen würden „unverzüglich bearbeitet“. „Seit Wochen sind Ordnungskräfte mit der Polizei vor Ort im Einsatz, unterstützt von Streetworkern. Die Maßnahmen zeigen nach Einschätzung von Polizei, Stadt und Anwohnern auch Wirkung.“ (mz)