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Jubiläums-Geschichten aus Halle-Neustadt Jubiläums-Geschichten aus Halle-Neustadt: Die Ureinwohner im Block 413

Von Silvia ZÖLLEr 06.05.2014, 20:07
Renate und Dietmar Steudel waren zusammen mit Tochter Constanze (von links) die allerersten Mieter in Neustadt - in diesem Haus.
Renate und Dietmar Steudel waren zusammen mit Tochter Constanze (von links) die allerersten Mieter in Neustadt - in diesem Haus. Günter Bauer Lizenz

HALLE (Saale)/MZ - Eigentlich, so ist an vielen Stellen nachzulesen, sind die ersten Mieter von Neustadt im August 1965 in die beiden ersten Blocks am heutigen Akener Bogen eingezogen. Stimmt nicht, weiß Dietmar Steudel: „Meine Familie und ich waren die ersten Mieter - in der heutigen Max-Liebermann-Straße.“ Ob er mit Tochter Constanze und Ehefrau Renate Ende 1964 oder Anfang 1965 eingezogen ist, weiß er heute nicht mehr so genau.

Sicher ist er aber, dass er die erste Wohnung bezogen hat. Denn das war im damaligen Block 413, der noch vor allen anderen Häusern in Neustadt zusammen mit dem Block 412 als Quartier für das Projektierungsteam, für Handwerker und als Besprechungsräume errichtet worden waren. Auch der Elektroingenieur Steudel war einer der Projektleiter, und er bekam den Zuschlag, als die ersten Räume von den Betrieben geräumt und für Mieter freigegeben wurden.

„Unser Betrieb, das spätere Projektierungsbüro Halle-Projekt, musste zwar zwei Wohnungen räumen, ihnen wurden diese Räume jedoch als Wohnungen für Mitarbeiter zugewiesen“, erinnert sich der heute 78-Jährige. Mit Streichhölzern wurde damals ausgelost, wer den Zuschlag bekam.

Umzug in den 70ern

Doch der Glückspilz blieb nicht sehr lange in dem Block wohnen: In den 70er Jahren zog er in die Nähe des Rosengartens in ein Haus mit eigenem Garten dazu.

„Wir waren zwar mit der Wohnung sehr zufrieden, aber es gab in der Anfangszeit noch keine Spielmöglichkeiten für die Kinder“, begründet er. Auch sei das Umfeld mit den Baustraßen für die Kinder doch relativ gefährlich gewesen.

Von Anfang an, ab 1963/64, war Dietmar Steudel am Projekt „Neustadt“ beteiligt. „Wir hatten jede Woche Besprechungen, auch mit Chefarchitekt Richard Paulick“, erinnert er sich. Nicht nur die Architekten um Paulick, sondern auch vor allem die rund 200 Projektanten seines Betriebes haben gemeinsam das umgesetzt, was westlich von Halle geplant war: eine komplett neue Stadt. Steudel projektierte zudem unter anderem das Zentrum-Warenhaus.

Und er berichtet von den Schwierigkeiten, die es bei dem Mega-Projekt gab. „Wir hatten große Bedenken, dass Neustadt einfach absäuft.“ Deshalb wurde in dem feuchten Gebiet neben der Saale die Brunnengalerie gebaut - eine Alternative gab es nicht. Der Standort bei Passendorf war gesetzt.

Problemlos Westfernsehen

Kurios findet er heute noch, dass in Neustadt praktisch jeder Bewohner ohne großen Aufwand das verbotene Westfernsehen schauen konnte. Denn das Neubaugebiet war das erste in der DDR, das über Kabel versorgt wurde. Zwar seien einige technische Raffinessen eingebaut worden, damit die Westsender eben nicht zuschaltbar sein konnten. „Aber Findige haben die Schüsseln auf den Hochhausdächern abends einfach rumgedreht“, weiß er.

Aber auch so manches andere sei nicht so gelaufen wie geplant: Nach gut fünf Jahren waren die Stahlformen für die Platten so verschlissen, dass sie nicht mehr passgenau waren. Geld für neue Formen sei nicht dagewesen. „Da wurden die Ritzen halt mit Kalk aufgefüllt“, sagt er. Auch wenn der Ingenieur heute im Rheinland lebt, so kommt er gerne nach Halle zurück - nicht nur wegen seiner Tochter, die noch hier wohnt, sondern gerade jetzt auch wegen des Jubiläums.