Im Porträt: Jens und Paul Koegel Im Porträt: Jens und Paul Koegel: Spitzenleistung? Kopfsache!

Halle (Saale) - An einem Wochenende pro Monat packt Paul Koegel seine Sachen und fährt ins Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft. Wäre er Fußballer, würde dort in Koblenz wahrscheinlich schon eine Masse kreischender Fans warten, um eine Unterschrift zu ergattern. Auf einer Autogrammkarte könnte man sich den Hallenser zumindest gut vorstellen: modisch gekleidet, die Frisur sitzt tadellos. Nur reist der 26-Jährige eben nicht mit Trikot, Stutzen und Fußballschuhen an, sondern mit seinen Frisierköpfen.
Zusammen heißt es für den National-Kader nach der Ankunft dann: trainieren bis die Finger glühen. Und das zahlt sich aus. Im vergangen Jahr färbte, föhnte und sprühte sich Paul Koegel zum Team-Vizeweltmeister der Herren, im Oktober wurde er Trend-Europameister in Paris.
Hochbetrieb in der Oleariusstraße
Sieht ganz nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Denn Pauls Vater, Jens Koegel, ist seit Jahren eine feste Institution in der Stadt. Hat er Angst, dass ihm langsam der Rang abgelaufen wird? „Nein, absolut nicht. Zwischen uns herrscht keine Konkurrenz,“ sagt Jens Koegel, der neben seinen beiden Salons in Halle auch eine Filiale in Weißenfels betreibt.
Früher war er bei jedem Wettkampf seines Sohnes dabei. „Bei Pauls erster Weltmeisterschaft in Chicago war er erst 18 und durfte dort fast nichts, dann habe ich auch mal ein Bier für ihn geholt,“ sagt Koegel neckend und dreht sich um. Hinter ihm ist Paul schon wieder bei der Arbeit. Im Salon in der Oleariusstraße herrscht Hochbetrieb.
Erster Salon 1938 am Reileck eröffnet
So geschäftig ging es beim Familienunternehmen zum ersten Mal 1938 zu, damals hatte Jens Koegels Großvater am Reileck den ersten Salon eröffnet. Später übernahm Helga Koegel das Geschäft, mit 14 Jahren begann dann 1980 ihr Sohn Jens aufzurücken, damals noch als Praktikant. An seine Ausbildung erinnert er sich noch gut: „Meine erste Dauerwelle am Modell zu wickeln war schrecklich. Ich hatte mit störrischen Borstenhaaren zu kämpfen und habe statt 45 Minuten etwa zwei Stunden gebraucht.“ Spätestens mit dem Meistertitel war derart krampfhaftes Arbeiten vorbei.
Im Sommer 1989 reiste Jens Koegel mit seiner Frau und dem vier Monate alten Sohn mit einem Ungarn-Visum aus der DDR aus und ließ sich in Bayern nieder. Nur ein Jahr später waren sie zurück in Halle, nicht nur weil es an Krippenplätzen gemangelt hatte: „Auch wenn sie es nicht immer gleich durchblicken lassen: Ich habe die Herzlichkeit der Hallenser vermisst“, erklärt Jens Koegel. Heute steht er nicht nur zusammen mit seinem Sohn im Salon, sondern auch mit Ehefrau Kristin, die als Kosmetikerin arbeitet.
Kopfmassage für Bülent Ceylan
Ab und an kommt unverhofft auch prominenter Besuch vorbei, wie zuletzt Komiker Bülent Ceylan, der nicht nur seine langen schwarzen Haare in die vertrauensvollen Hände der Koegels gab, sondern sich auch gleich eine Kopf- und Augenringmuskelmassage gegönnt hat.
Jens Koegel weiß sein Geschäft in guten Händen. Läuft alles wie geplant, will er sich in zehn Jahren neu fokussieren: Auf den Bereich Management und Organisation. Dafür liest er Fachliteratur und Bestseller wie „Schnelles Denken, langsames Denken“ von Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman. Ob er sich dann auch ohne Arbeit im Salon vom Schneiden trennen kann? Seine Mutter Helga jedenfalls hat erst vor einem Jahr die Friseurschere zur Seite gelegt. (mz)