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Im Fußballclub fand er Halt und Familie

Von MICHAEL DEUTSCH 12.10.2008, 17:40

HALLE/MZ. - Der 48-jährige Fan des Halleschen Fußballclubs war am 20. September grundlos von einem 16-Jährigen zu Tode geprügelt worden (siehe: "Schüler prügelt Fan").

Der HFC-Clubvorstand, Fußballfans, Mitarbeiter des Streetwork-Fanprojekts und Sympathisanten schreiben sich ins Kondolenzbuch ein. Es herrscht Schweigen. Uwe Schiesenow, Menzels Arbeitskollege beim Fanprojekt, gibt sich scheu. Auch er hat Probleme, über "seinen Uwe" in der Vergangenheitsform zu sprechen. "Uwe hatte ein rot-weißes Herz. Erst kam der HFC, der seine Familie war", betont der 52-Jährige, der sich erinnert, wie Uwe aus dem Häuschen war, als er beim Fanprojekt vor einem halben Jahr mitarbeiten durfte.

Indes sind auch die Eltern des Verstorbenen eingetroffen. Die Mutter weint. Menzels Bruder Dirk weicht nicht von ihrer Seite. Oma und Tante stehen Menzels Tochter Bianka bei. "Ich hatte nur wenig Kontakt zu meinem Vater", spricht Bianka Berg leise. Ihre Gefühlswelt vermische sich derzeit mit Trauer um den Vater und ohnmächtiger Wut auf den Täter. "Die Chance, meinen Vater besser kennen zu lernen, ist mir genommen worden", sagt die 23-Jährige, die widerstandslos und müde wirkt. Mit einem kleinen Rosenstrauß in der Hand betritt sie zusammen mit ihrer Familie und den Trauergästen die Feierhalle, in der die Urne des Vaters, ein rot-weißer Fußball, im Zentrum steht.

Trauerredner Konrad Potthoff blickt auf die oft nicht glücklichen Momente im Leben des gebürtigen Bernburgers zurück, der als Kind in Halle-Neustadt aufwuchs. Nach der Schule und der Lehre zum Facharbeiter für alkoholfreie Getränke war Menzel als Schaffner tätig. 1985 wurde Tochter Bianka geboren, die Beziehung zu seiner Frau scheiterte. 1987 begann Uwe Menzel als Anlagenfahrer in Buna zu arbeiten. Betriebsbedingt verlor er zehn Jahre später seinen Job.

"Dieser Verlust war einschneidend für sein Leben. Er kam schwer damit zurecht", beschreibt Potthoff die nagende Arbeitslosigkeit an jenem Mann, der 30 Jahre Fußball-Fan war. Hier, in der Gemeinschaft Gleichgesinnter, habe er den Halt gefunden, den er sonst in der Gesellschaft vermisste. "Ja, er träumte regelrecht von dieser Tätigkeit, vom Gebrauchtwerden im Fan-Club des HFC", sagt Potthoff. "Sein Leben bekam einen neuen Sinn, auch eine eigene Wohnung war geplant", weiß der Schriftsteller. "Ich glaube", sagt er und schaut zur Familie und den Fans auf, "ich glaube, Uwe war in den letzten Monaten ein glücklicher Mensch." Diese Feststellung sorgt für Tränen.

Wenig später erfolgt die Urnenbeisetzung auf dem Friedhof Reideburg, wo nur engste Familienmitglieder Abschied nehmen.