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Homeschooling wirft seine Schatten Homeschooling wirft seine Schatten: Kinder haben Sehnsucht nach Unterricht

Von Franz Ruch 01.02.2021, 06:00
Auch der Nachhilfeunterricht findet in Corona-Zeiten online statt. Kreative Möglichkeiten gibt es aber genug.
Auch der Nachhilfeunterricht findet in Corona-Zeiten online statt. Kreative Möglichkeiten gibt es aber genug. DPA

Halle (Saale) - Für Kinder und Eltern ist der Lockdown gleichermaßen eine Belastung: Ist der Schulstoff in der Regel nicht schon schwierig genug, muss er jetzt auch noch zu Hause selbst beigebracht werden. Das Lernen in den eigenen vier Wänden ist beschwerlich, und die fehlenden Lehrer und Mitschüler machen sich in wachsendem Frust bemerkbar. Der Nachhilfeunterricht entwickelt sich in diesen Zeiten für viele zum willkommenen Ausgleich.

Eltern sitzen mit dabei

Beim Nachhilfeanbieter Studienkreis ist man in Halle inzwischen routiniert. „Es läuft so ab wie im vergangenen Lockdown: Onlineunterricht per Skype“, sagt Ewa Gerber, Studienkreisleiterin in Halle. Als die ersten Schulschließungen und Präsenzverbote im März 2020 kamen, seien die Eltern noch zögerlich gewesen und hätten Nachhilfestunden ausgesetzt in der Erwartung, die Schulschließungen seien eine Frage von ein paar Wochen.

„Hier gab es ein Umdenken“, sagt Ewa Gerber. Bestehende Kunden würden jetzt eher zusätzliche Fächer buchen. Schon vor Corona sei Mathe ein Hauptproblemfach gewesen. Jetzt, nach Wochen des verordneten Heimunterrichts, fällt auf, wie komplex Schulwissen eigentlich sein kann und wie schnell es vergessen wird. „Alles, was in die Tiefe geht und Verständnis braucht, wird jetzt mehr nachgefragt“, sagt Ewa Gerber. Gedichtinterpretationen, Grammatik, Englisch - nicht selten komme es bei Nachhilfestunden vor, dass sich die Eltern zu ihren Kindern mit vor den Computer setzen, um den Lernstoff selbst von den Nachhilfelehrern erklärt zu bekommen.

Auch die Schüler würden jetzt anders auf die Nachhilfestunden reagieren. „Schüler, die sonst bei der Nachhilfe eher nicht so engagiert waren, sind jetzt motivierter“, sagt Ewa Gerber. Die Kinder und Jugendlichen würden jetzt deutlicher merken, dass sie die Unterstützung brauchen und seien darum auch dankbarer, wenn sie sie bekommen.

Erfreulicher Klassenersatz

Der Studienkreis in Halle betreut an seinen zwei Standorten, einen in Mitte und einen in Süd, insgesamt knapp 200 Schüler mit etwa 80 Nachhilfelehrern. Die Umstellung auf Onlineunterricht sei nach Angaben der Studienkreisleiterin schnell und problemlos verlaufen. „Wir haben für die Umstellung ungefähr eine Woche gebraucht“, sagt sie. „Und bei 95 Prozent der Schüler funktioniert es auch.“

Das kann auch Ruby Salamann bestätigen. Die 20-jährige Jura-Studentin aus Halle arbeitet seit gut einem Jahr als Nachhilfelehrerin beim Studienkreis. Sie lehrt Deutsch, Mathe, Englisch und bei Bedarf auch andere Fächer. Der Onlineunterricht sei zwar eine große Umstellung gewesen, laufe aber sehr gut. „Wenn man ein bisschen kreativ ist, gibt es bei der Qualität der Nachhilfe auch keine Verluste“, sagt sie.

„Wir vermitteln den Stoff, den die Schüler als Blätterpamphlet aus der Schule bekommen“

Die Kreativität - inzwischen wird wie selbstverständlich mit einer Art „virtueller Tafel“ gearbeitet - wissen ihre Schüler zu schätzen. Dadurch, dass den Kindern der Schulunterricht fehlt, mutiert die Nachhilfe außerdem auf sozialer Ebene zum Klassenersatz. „Es entsteht ein Gefühl wie in der Schule, weil die Kinder dankbar sind, auch untereinander reden zu können“, sagt Ruby Salamann.

Allerdings müsse sie jetzt deutlich mehr didaktisch leisten - auch für die Eltern. „Wir vermitteln den Stoff, den die Schüler als Blätterpamphlet aus der Schule bekommen“, sagt sie. Wie viel Hilfe es dann braucht, sei auch abhängig von der Qualität des Fernunterrichts aus der Schule. „Einige Schüler bekommen nur Aufgaben, andere bekommen deutlich mehr Unterstützung. Das läuft super unterschiedlich ab“, sagt sie. (mz)