Heimatgeschichte: Bergbau im Rückblick Heimatgeschichte: Bergbau im Rückblick: Glück auf - Lehre im Schacht Deutschland
Teutschenthal/MZ. - Der letzte Waggon ist längst gefüllt. Hans-Richard Meisel lässt der Kali-Bergbau dennoch nicht los. Vom Schafberg, wo das Eigenheim steht, schweift der Blick über kurz oder lang hinüber zu der hohen Halde am Bahnhof - Rückblick auf eine Blütezeit?
Seit zwei Jahrzehnten ruht die Förderung. Die Zeit unter Tage ist dem 56-Jährigen unvergesslich. Wenn der Ingenieur in Erinnerungen schwelgt, greift er meist zur Zeitung. Das Papier der Weihnachtsausgabe 1982 ist schon leicht vergilbt und etwas brüchig. "Der Kali-Kumpel" berichtet mit vielen Bildern vom Ende einer Ära unter Tage. 22. Dezember, Punkt 18 Uhr - Datum und Zeit haben sich ins Gedächtnis der Bergleute eingegraben. Meisel: "Vor 20 Jahren ratterte der letzte Kali-Zug aus dem unterirdischen Revier, das sich von Zappendorf bis Angersdorf und Zscherben zieht."
Noch bis 1985 arbeitet der Werkstattleiter dann unter Tage. Seine Werkstatt liegt zu jener Zeit immer noch einige hundert Meter tief im Berg. Von dort schwärmen fast drei Dutzend Elektriker aus, um wertvolle Anlagen zu bergen. Hunderte Kilometer Kabel werden sorgsam aufgerollt, Tankstellen abgebaut.
Die Materialien kommen in andere Kaligruben, beispielsweise nach Zielitz in der Nähe von Magdeburg. Anderes wie die Reste der ehemaligen unterirdischen Bahnhöfe - im Jahre 1966 rollen immerhin mehr als 60 Waggons auf einem 55 Kilometer langen Gleisnetz - wanderte auf den Schrott. "Etliches, so einige Ladefahrzeuge, steht noch heute unten auf der Sohle", vermutet der kräftig gebaute Mann, der Anfang der neunziger Jahre wohl für immer den Förderkorb verließ.
Meisel ohne Bitternis: "Die Arbeit ist getan." Viele seiner jüngeren Kollegen, sagt er, verdienen längst gutes Geld in den alten Bundesländern. Meisel: "Ich will in Teutschenthal alt werden."
Der Nachfolge-Betrieb der Grube, der jetzt gewinnbringend die unterirdischen Hohlräume verfüllt, kommt mit wenigen Beschäftigten aus. Meisel ist seit einigen Jahren - mit Unterbrechungen - arbeitslos. Sein Stolz auf die geleistete Arbeit im Kali scheint aber ungebrochen. Nicht zufällig erwähnt er die seismische Überwachung, die sein Team mit installiert hat. Experten bezeichnen das System als Spitzenleistung. Es soll vor Bewegungen in den Gesteinsschichten warnen. Leider behält der Berg dennoch viele Geheimnisse. Jüngstes Beispiel: Der Schreck über den Gebirgsschlag in der Mitte der neunziger Jahre, der viele Schäden an Häusern verursachte, steckt noch in den Knochen. Meisel: "Sogar unter meinem Bungalow erstreckt sich ein riesiger Hohlraum."
Auch darum geht es, wenn sich die ehemaligen Bergleute manchmal im kleinen Kreis treffen. Meisel kann es dann kaum erwarten, seine privaten Forschungsergebnisse über die Bergbaugeschichte darzulegen. So kennt der Bergbau-Chronist aus der Familie und aus Gesprächen mit überlebenden Zeugen die näheren Umstände und Abläufe des Gebirgsschlages von 1942. Meisel zufolge sind damals 42 Bergleute auf ewig unten geblieben. Nur ein kleiner Trupp in der Nähe des 674 Meter tiefen Schachtes sah das Licht wieder. "Leider schaffte es die Bohrtechnik nicht. Es hätte wohl zwei Jahre gedauert, um die eingeschlossenen Männer zu erreichen."
Ereignisse dieser Art prägen den Landstrich. "Abschreckende Wirkung hatten sie aber nicht, Bergmann war ein gut bezahlter Beruf." Meisel erinnert sich gern daran, wie die Seilbahn mit den Kali-Wagen am Schulfenster vorbei zur Halde saust. Ist es da ein Wunder, wenn der Schüler über die Lehrstelle als Gruben-Elektro-Schlosser im Kaliwerk "Deutschland" jubelt? In besten Zeiten zählt das Unternehmen über 100 Lehrlinge, gehören über 1 200 Kumpel zur Belegschaft.