Handel in Halle Handel in Halle: Abschied vom Boulevard

Halle (Saale)/MZ - Halles Top-Einkaufslagen am Markt und am unteren Boulevard scheinen für namhafte Anbieter massiv an Attraktivität zu verlieren. Nachdem bereits das Modehaus Wöhrl und die Schuh-Kette Görtz ihre Filialen aufgegeben hatten, zieht sich nun auch der Modeanbieter Esprit aus der City zurück. Das und die geplante Ansiedlung einer weiteren Niederlassung des Haushaltsdiscounters Mäc?Geiz erfüllt ansässige Händler mit zunehmender Sorge.
Die Hallenser haben im Landes- Vergleich die geringsten verfügbaren Einkommen. Das hat gestern das Statistische Landesamt Sachsen-Anhalt mitgeteilt. Danach können die Hallenser pro Jahr 15 719 Euro in Konsum oder Sparen investieren. Das sind etwa 2 000 Euro weniger als der Spitzenreiter Jerichower Land. Auch im Vergleich zu Magdeburg hinkt Halle hinterher. Menschen in der Landeshauptstadt haben im Schnitt 300 Euro im Jahr mehr zur Verfügung als ein Hallenser. (jop)
„Wir schließen zum 31.?Dezember“, bestätigte Frank Randow. Der 48-jährige Wittenberger betreibt als Lizenzpartner des Modelabels einen Esprit-Shop im Stadtcenter Rolltreppe und einen Shop der Zweitmarke EDC am unteren Boulevard. Beide Geschäfte gibt er aus wirtschaftlichen Gründen auf. Wie Randow sagte, hat Esprit die Verträge mit ihm nicht verlängert. „Der untere Boulevard ist auf den ersten Blick eine Top-Lage. Im Vergleich zu anderen Großstädten ist der Umsatz aber gering - und das trotz der großen Frequenz. Aber nicht alle Passanten sind Kunden.“ Randow zufolge stehen auch die hohen Ladenmieten am unteren Boulevard mit der Umsatzkraft des Standorts in keinem Verhältnis. Ob Esprit in Halle präsent bleibt - vielleicht mit einem neuen Lizenznehmer - blieb gestern offen.
Die MZ hatte am Dienstag berichtet, dass am Eckhaus unterer Boulevard/Waisenhausring eine zusätzliche Mäc-Geiz-Filiale eröffnet werden soll. Eine befindet sich bereits in der Rolltreppe. Gleichzeitig sind inzwischen schon neun Shops von Telefonanbietern am unteren Boulevard ansässig. Und vier Geschäfte in dieser 1-A-Lage stehen leer. Nähert sich der untere Boulevard dem Niveau des oberen Teils der Fußgängerzone an? Letztere gilt bei vielen Hallensern wegen mehrerer Billigwarengeschäfte als „Ramschmeile“. Als „schwierig“ bezeichnete Frank Laube die Situation. Laube ist Leiter des Kaufhauses von Peek?&?Cloppenburg, in dem höherwertige Bekleidung verkauft wird. „Es ist schade, dass sich das Niedrigpreis-Segment so etabliert“, sagte er. Eine „nachlassende Attraktivität“ beklagte Optiker Carsten Ilgenstein, dessen Geschäft seit 1939 in der Fußgängerzone vertreten ist. „Die Entwicklung ist alles andere als positiv.“
"Mäc Geiz ist auf jeden Fall besser als Leerstand"
Der für die Innenstadtentwicklung zuständige Beigeordnete Wolfram Neumann sieht das anders. „Mäc Geiz ist auf jeden Fall besser als Leerstand“, sagte er. Grundsätzlich sieht er die Entwicklung der Innenstadt mit unterem Boulevard, Markt, Kleiner und Großer Ulrichstraße positiv. „Es gibt keine Signale, dass Läden dauerhaft leer stehen werden“, sagte er. Beim Thalia-Haus am Markt und den vier leer stehenden Geschäften auf dem unteren Boulevard sei er zuversichtlich, dass sich schnell neue Mieter fänden. Zudem habe Halle als eine der wenigen Städte noch viele inhabergeführte Läden und nicht nur Filialisten. „Allerdings ist es schwierig, Geschäfte aus dem oberen Segment nach Halle zu bekommen“, gab Neumann zu. Die Einflussmöglichkeiten der Stadt seien begrenzt. Die Wirtschaftsförderung versuche immer wieder, bei den großen Anbietern anzuklopfen.
