Handball Handball: Kurzschluss kurz vor Schluss
Halle (Saale)/MZ. - Was passiert, wenn eine ausgewachsene Schar von Männern mit einer Durchschnittsgröße von 1,90 Meter ein ungeahntes Glücksgefühl überkommt? Dann werfen sie sich zu Boden, dass das Parkett vibriert. Oder tollen herum wie Kinder in einer Hüpfburg. Oder robben auf dem Rücken kreuz und quer und stoßen dabei seltsame Laute aus. All das ist geschehen, am Samstagabend in der Universitätssporthalle nach dem Handball-Drittligaspiel des HC Einheit Halle gegen TG 1860 Münden. Die einheimischen Spieler sahen blassgesichtig und wortlos dem ausgelassenen Treiben zu. Denn zu feiern hatten die anderen. Zwei Sekunden vor Spielschluss war dem Mit-Tabellenführer aus Niedersachsen das Tor zum 37:36-Sieg gelungen. Münden steht mit 14:0 Punkten als einzige Mannschaft neben dem SC DHfK Leipzig ohne Makel da.
"Wir waren darauf eingestellt, dass es eine heiße Kiste wird", meinte Mündens Team-Betreuer Heiko Motz. "Aber solch einen Nervenkitzel hätten wir uns gern erspart." Das hätte die Einheit-Sieben sich und ihren Fans durchaus auch nicht antun müssen. Das Team hätte nichts anderes tun sollen, als den greifbar nahen Sieg zu verwalten. Vier Minuten vor dem Ende
führte der HC bei eigenem Ballbesitz mit 35:33. Und der Gegner, der zwar mit breiter Brust angetreten war, wirkte angesichts der starken Gegenwehr des Gastgebers irritiert und unsicher. Es hätte nichts mehr schiefzugehen brauchen. Doch Einheit, fast während der gesamten Partie in der Vorhand, nutzte die Gunst der Stunde nicht.
"Das tut furchtbar weh. Wir hatten den Erfolg in der Hand, waren aber in der entscheidenden Phase nicht ruhig und diszipliniert genug", sagte Trainer Dimitry Radkevich. "Aber wir haben gezeigt, dass wir es können. Das Team hat Moral." Diese ist auch bitter nötig. Mit 5:11 Punkten sitzt die Mannschaft im Tabellenkeller. Aber: Einheit hat in den acht Spielen bereits die Top-Sechs der Tabelle als Gegner gehabt. Und: Zum rettenden neunten Rang fehlt nur ein Punkt. "Deshalb lassen wir uns auch nicht verrückt machen", meint Kreisläufer Thomas Hollstein. "Ein Sieg heute oder wenigstens ein Unentschieden hätte uns sehr viel bedeutet. Ich glaube auch, das wäre verdient gewesen."
Einheit bot durchaus Sehenswertes. Rechtsaußen Fabian Metzner, der acht Tore warf, ließ Mündens Abwehr oft schlecht aussehen. Und in der HC-Deckung war mit Tobias Suchanke die lange vermisste ordnende Hand wieder zur Stelle. Nach seiner Meniskus-Operation Ende August konnte der 27-Jährige zu seinem ersten Saisonspiel auflaufen. Er spielte mit einer Schutzmanschette am linken Knie. "Aus reiner Vorsicht. Das Knie ist wieder voll belastbar", sagte Suchanke. Lautstark dirigierte er seine Nebenmänner, riss sie mit seiner Courage mit, verlieh der Abwehr mehr Sicherheit. Immerhin reichte die Kraft für 40 Spielminuten. Der Biochemie-Mitarbeiter an Halles Universität sagte aber: "Bis ich wieder voll auf Touren bin, werden noch einige Spiele vergehen."
In der vergangenen Saison hatte Einheit gegen Münden zu Hause noch deutlich gewonnen. Doch der damalige Abstiegskandidat aus dem Kreis Göttingen verstärkte sich danach mit Erstligaspieler Oliver Tesch von TuS Nettelstedt-Lübbecke und drei Akteuren aus der zweiten Liga. "Die haben einen Zahn zugelegt", sagte HC-Manager Michael Schmidt anerkennend. Dennoch: Münden wäre auch diesmal zu packen gewesen. Winzige zwei Sekunden haben gefehlt.