Hallesche Betsäule Hallesche Betsäule: Aus Alt mach Alt
Halle (Saale)/MZ. - Der Schwarze Tod galt im Mittelalter als Strafe Gottes. Als Gegenmittel gab es nur: mehr beten, besser beten. So geschah es in der Mitte des 15. Jahrhunderts, nach mehreren großen Pest-Ausbrüchen mit Tausenden von Toten, dass in Halle eine Betsäule aufgestellt wurde - und zwar ungefähr dort, wo heute der Riebeckplatz ist.
Eine doppelt sinnvolle Standortwahl war das, denn dort befand sich einst auch das Galgtor, eine der halleschen Hinrichtungsstätten. Und wo gestorben wurde, da bestand in besonderem Maße Bedarf am Gebet.
Rund sechs Meter ist die Betsäule hoch, das Relief selbst misst 1,68 Meter in der Höhe: Auf der einen Seite ist die Kreuzigungsszene zu sehen, auf der anderen eine Szene, in der Jesus das Kreuz trägt. Die Menschen des Mittelalters werden staunend davorgestanden haben. Und ehrfürchtig sowieso.
Mehrere Umzüge
Geschaffen wurde die Betsäule im Jahr 1455, von wem, ist nicht bekannt. Weil das Kunstwerk aber erhalten ist, gilt es inzwischen als eine der ältesten Freiskulpturen Deutschlands! Ja, und so was steht in Halle einfach so herum. Ob den Hallensern der Wert dieses Kleinods bewusst ist?
Mehr als viereinhalb Jahrhunderte stand die Betsäule an ihrem Platz; im 20. Jahrhundert allerdings wurde sie dann gleich mehrmals umgesetzt: Im Jahr 1928 musste sie einem Verkaufskiosk weichen und wechselte vom Riebeckplatz in eine Grünanlage an der Mauerstraße, vis-à-vis der Franckeschen Stiftungen. Der zweite Ortswechsel wurde 1970 fällig: Grund war diesmal der Bau der Hochstraße. Die Betsäule wurde erst für einige Zeit eingelagert, bevor man sie 1972 am Universitätsring aufstellte, wo sie heute noch steht - besser: Wo sie bald wieder stehen wird.
Aktuell befindet sich das Denkmal nämlich in einem Hinterhof in Kröllwitz unter einem Partyzelt, genau gesagt: ein Teil davon, wenngleich der wichtigste - eben jenes mannshohe Relief.
Die Bildhauer-Zwillinge Markus und Christof Traub restaurieren das Relief mit Akribie und Aufwand. Und unter den strengen Blicken des Denkmalschutzes. "Eine heikle Sache", sagt Christof Traub. Die Arbeit der beiden Brüder darf nämlich quasi nicht zu sehen sein. "Wir setzen die Betsäule sozusagen zurück aufs Jahr 1924." Das heißt: Die Säule soll, wenn die Bildhauer fertig sind, gerade nicht "wie neu" erstrahlen, sondern so aussehen, wie auf den ältesten bekannten Fotos - und die stammen eben aus dem Jahr 1924.
Aus Alt mach Alt, sozusagen.
Für die Traub-Brüder heißt das: "Wir müssen mit der Verwitterung umgehen." So seltsam es klingt: Zur Arbeit der Restauratoren gehört darum auch die Zerstörung. In gewisser Weise jedenfalls. So arbeiten die Traubs Verwitterungsspuren in Form kleiner Löcher in den doch eigentlich neuen Stein.
Suche nach dem richtigen Stein
Wo es keine Gewissheit über das Aussehen der Figuren gibt, da darf nachträglich keine geschaffen werden. So bleibt das Gesicht einer der Maria-Figuren auch nach der Restaurierung unvollständig - eben weil man nicht weiß, wie es einst ausgesehen hat.
Und noch ein Beispiel für den Aufwand: Fast ein Vierteljahr recherchierten die Traubs auf der Suche nach einer Firma, die für die Bekrönung und die Konsole der Skulptur den "richtigen" Sandstein liefern kann. Fündig wurden sie schließlich bei einem Unternehmen in Polen.