1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Halles prunkvolle Villa in der Burgstraße: Halles prunkvolle Villa in der Burgstraße: Rätsel um Lehmanns Erbe

Halles prunkvolle Villa in der Burgstraße Halles prunkvolle Villa in der Burgstraße: Rätsel um Lehmanns Erbe

Von Michael Falgowski 29.06.2015, 10:51
Ein Kapitel Stadtgeschichte Halles ist weiter gefährdet: die Lehmann’sche Villa.
Ein Kapitel Stadtgeschichte Halles ist weiter gefährdet: die Lehmann’sche Villa. Archiv/Bauer Lizenz

Halle (Saale) - Halles prunkvollste Villa, die gewaltige Lehmann'sche Villa in der Burgstraße 46, ist ein Geisterschloss: Ein Zaun friedet das Gelände ein, überall sind Kameras installiert, auch an den Bäumen. Nachts ist das unbewohnte Stadtschloss hell angeleuchtet. In den Fenstern blinken rote Lämpchen, die einer Alarmanlage zu gehören scheinen. Tagsüber bleiben Passanten stehen, und betrachten verwundert den mit Trägern gestützten Turm auf Lehmanns Felsen, der weithin sichtbar ist.

Eigentümer schweigt über Vorhaben

Es gab bessere Zeiten für das Haus: Als 1903 Kaiser Wilhelm II. die Stadt Halle besuchte, logierte Prinz Friedrich Leopold von Preußen in der Villa. Der Hohenzoller wird sich wie zu Hause gefühlt haben: Es gab einen Festsaal mit Paradetreppe, einen Salon, Damen-, Herren- und Gesellschaftszimmer sowie eine große Bibliothek.

Doch dieser einstige Glanz verblasst. Seit 15 Jahren steht das Gebäude praktisch leer. Hoffnung kam auf, als vor neun Jahren ein Privatmann aus Frankfurt/Main die Immobile vom Land kaufte. 99.000 Euro wurden für die lange als unverkäuflich geltende Gebäude als Mindestgebot aufgerufen.

Seit Jahren aber lässt dieser Eigentümer jede Anfrage unbeantwortet, was er mit der Villa vorhat. Aus dem zuständigen Finanzministerium hieß es dazu nach dem Verkauf: „Der Käufer ist lediglich verpflichtet, das Erscheinungsbild der Villa zu erhalten“. Immerhin, zwischen 2006 und 2014 wurden einzelne kleinere Sicherungs- und Reparaturmaßnahmen beantragt und denkmalrechtlich von der Stadt genehmigt: Diverse Instandhaltungsarbeiten und Sicherungsmaßnahmen am Dach, an der Dachentwässerung sowie in Teilen des Gebäudeinneren.

Stadtgeschichte ist weiter bedroht

Dem Verfall der Villa in der Bergstraße, die schon beim Verkauf vom Hauschwamm befallen war und deren Turm sich bedrohlich neigt, wird so jedoch nicht entscheidend Einhalt geboten. Ein Kapitel Stadtgeschichte Halles ist deshalb weiter gefährdet. Diese Geschichte ist mit der Bankiersfamilie Lehmann verbunden. Begründet hatte deren Reichtum der Kaufmann Heinrich Franz Lehmann, ein Waisenkind, das es zum Bankier brachte. Dessen Sohn Ludwig hatte 1828 das Handelshaus in das Bankhauses „H. F. Lehmann in Halle (Saale)“ umgewandelt und später die Leitung übernommen. Ihr Bankhaus, ein wahrer Palast, wurde 1864 in der Großen Steinstraße eröffnet, heute die Zahnklinik. Fast eineinhalb Jahrhunderte lang gehörten die Lehmanns zu den einflussreichsten Bürgern der Stadt, die sich auch als bedeutende Mäzene betätigten und in der Kommunalpolitik mitmischten. Vor allem war die Bank der große Motor der Industrialisierung in Halle und darüber hinaus. Sie finanzierte etwa die Entwicklung der Montanindustrie etwa von Carl Adolph Riebeck. 1871 gründete Ludwig auch die Cröllwitzer Papierfabrik. Sein Sohn Heinrich Franz ließ 1890 die Villa in der Burgstraße bauen. Man konnte sich den Prachtbau hoch über der Saale samt Park und romantischer, künstlicher Ruine auf „Lehmannsfelsen“ locker leisten. 16 Millionen Reichsmark betrug das Vermögen der Familie vor dem 1. Weltkrieg. Beim Bau wurde deshalb nicht gesparrt. Das Haus war bereits mit Zentralheizung ausgestattet. 1910 wurde ein Fahrstuhl eingebaut.

Sogar ein Hotel war geplant

Noch heute wird in Halle die Geschichte erzählt, wie Heinz Franz Lehmann den Bau des „Volksparkes“ der Sozialdemokratie auf der anderen Straßenseite zu verbieten suchte - mit Geld. Was die Stadt ablehnte. 1919 ließen Anarchisten sogar eine Bombe unter seiner Terrasse detonieren. Nachdem infolge der Wirtschaftskrise das Bankhaus 1931 schließen musste und die Witwe des letzten Chefs die Villa 1935 verlassen hatte, war das Haus Verwaltung der halleschen Hitlerjugend. 1945 wurde Lehmanns Garten für die Hallenser zugänglich gemacht. 1947 zog die Staatliche Hochschule für Theater und Musik ein, ab 1955 residierte das spätere Institut für Musikwissenschaften. Danach bekundete zunächst die Kunsthochschule Burg Giebichenstein Interesse, konnte sich aber mit dem Land nicht einigen. Eine der letzten Ideen für das Haus war 2004 die Einrichtung eines Hotels für Gäste der Olympischen Spiele in Leipzig. (mz)