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Halles erstes Rennteam  Halles erstes Rennteam : "Es kommt richtig aufs Können nicht auf das meiste Geld an"

Von Oliver Müller-Lorey 06.12.2019, 06:00
Virginia Möckl und Florian Schön vor ihrer Rennmaschine, dem Renault Clio 4 Cup. Der Name ihres Teams steht auf der Motorhaube.
Virginia Möckl und Florian Schön vor ihrer Rennmaschine, dem Renault Clio 4 Cup. Der Name ihres Teams steht auf der Motorhaube. silvio kison

Halle (Saale) - Im Fußball, Frauenhand- und Basketball ist Halle bereits deutschlandweit bekannt. Ab kommender Saison könnte die Saalestadt noch in einer weiteren Sportart ganz oben mitspielen: im Motorsport. Derzeit bereitet sich Halles erstes Auto-Rennteam für die ab Frühling anstehenden Wettkämpfe vor. „Eastside Motorsport“ tauften Virginia Möckl und Florian Schön ihr Team, mit dem sie ab 2020 Pokale einheimsen wollen. Die beiden sind für die Technik des Autos verantwortlich. Ihr Fahrer ist ein Profi aus Hannover. Von der Formel 1, der berühmtesten aller Klassen, sind sie zwar noch ein ganzes Stück entfernt. Doch vom Namen ihres Autos sollte sich trotzdem niemand täuschen lassen. Sie treten an mit einem Renault Clio.

Kein Radio, Fensterheber und Handschuhfach für die Hallesche Rakete

Natürlich keines der bei Fahranfängern beliebten Modelle, sondern eine echte Rakete. „Es handelt sich um einen Renault Clio 4 Cup. Der ist so beim Hersteller zu kaufen, für 50.000 Euro“, erklärt Schön, der Kfz-Mechatroniker und schon seit zehn Jahren im Motorsport aktiv ist. 220 Pferdestärken bringt der Rennwagen auf die Straße, dafür aber so gut wie keinen Luxus. Einen Beifahrersitz oder gar eine Rückbank sucht man vergeblich.

Radio, Fensterheber, Handschuhfach, Klimaanlage, Türinnenverkleidung - auf all das haben die Konstrukteure verzichtet. Dafür gibt es einen stabilen Überrollkäfig und ein Feuerlöschsystem, das auf Knopfdruck ausgelöst werden kann. Der Heckspoiler ist, anders als bei Möchtegern-Tunern, nicht aus optischen Gründen da, sondern um die Bodenhaftung des Clios zu verbessern.

Halles erstes Rennteam nicht auf normalen Straßen unterwegs

Von außen sieht das Auto auf den ersten Blick aus wie ein Polizeiauto. Mit einer Beklebung in exakt dem Blau- und Neongelbton eines Streifenwagens. Ärger müssen Schön und Möckl dennoch nicht befürchten, denn auf öffentlichen Straßen fährt das Auto nie. Nur auf Rennstrecken ist der Flitzer in Aktion.

Das Schöne sei, dass alle Fahrer beim Clio Cup, der in Deutschland und Nachbarländern stattfindet, mit denselben Autos antreten, sagt der 32-Jährige. Einstellungen können Schön und seine Freundin, die Diplomingenieurin für Fahrzeugtechnik ist, zwar noch am Fahrwerk, der Federung, der Spur und den Reifen vornehmen.

„Es kommt noch richtig aufs Können an und nicht, wer das meiste Geld hat“

Der Rest ist bei allen Autos gleich. Der Motor etwa ist verplombt, damit kein Team eine höhere Leistung hat. „In dieser Klasse kommt es noch richtig aufs Können und nicht so darauf an, wer das meiste Geld hat“, sagt Schön. Billig ist der Motorsport dennoch nicht. Eine Saison schlägt mit 70.000 Euro zu Buche. Denn Reifen im vierstelligen Bereich, ständig neue Öle und die kurzen Wartungsintervalle der Bauteile kosten richtig Geld.

Den Motor starten die Schrauber nur ungern außerhalb der Rennstrecke, denn jeder Kaltstart schadet. Und nur zum Spaß eine Runde fahren? Auch keine gute Idee. Ein Kilometer kostet wegen des Verschleißes rund fünf Euro. Der Aufbau des Rennteams ist für die beiden PS-Fans ein Wagnis. Schön, der aus Halle stammt, hat schon im Motorsport gelernt.

Gastrennen im tschechischen Most für das erste Rennteam aus Halle lief gut

Seine Freundin stammt aus der Autostadt Zwickau, wo ihr Vater ein Autohaus betreibt, in dem der Rennwagen über den Winter ausgestellt ist. „Anfang des Jahres sind wir von Halle in die Eifel an den Nürburgring gezogen und arbeiten dort für ein Rennteam“, sagt Schön. Er ist Chefmechaniker in einer anderen Rennklasse. Doch auf Dauer wollten sich die beiden selbstständig machen. Seit dem Umzug bauen sie ihr eigenes Team mit acht Mann auf.

Ein erstes Gastrennen im tschechischen Most, das heißt, ohne Ambitionen, Wertungspunkte zu sammeln, lief gut. „Wir hatten die schnellste Rennrunde in der Mitte des Rennens“, sagt Möckl stolz. „Nur der Start, naja, unser Fahrer hat den Motor abgewürgt.“ Das habe aber nichts mit Ungeschick zu tun, sondern dem extrem kleinen Schleifpunkt bei der Rennkupplung. Ein Fahrer ohne Rennerfahrung würde mit dem Auto auch nach mehreren Versuchen nicht anfahren können, ist sich die 24-Jährige sicher.

„Noch müssen wir Geld zahlen, aber irgendwann werden wir welches damit verdienen“

Insgesamt zwölf Rennen stehen 2020 an, vier davon in Deutschland. Das Team wird dann mit dem Clio in einem 40-Tonner zu den Strecken fahren, seine mobile Garage mit Ausrüstung wie in einer Profiwerkstatt aufbauen und - ganz wichtig - auch ein zwölf mal acht Meter Zelt mit Catering dabei haben. Das ist unter anderem dazu da, Sponsoren, von denen „Eastside Motorsport“ abhängig ist, zu bewirten und verwöhnen.

Die Geldgeber achten nicht nur auf die Leistung der Teams, sondern auch darauf, wie präsent diese in den Medien und in sozialen Netzwerken sind. Zu Beginn einer Karriere ist es der Fahrer, der mit seinem Geld die Starts finanziert. Je mehr Sponsoren mitmachen, desto eher lohnen sich Rennen für Möckl, Schön und die anderen im Team. „Noch müssen wir Geld zahlen, aber irgendwann werden wir welches damit verdienen“, sind sie sich sicher. (mz)