Veranstaltungen zum 1. Mai Halle zwischen Freude und Leid
Der Krieg in der Ukraine spielt auf der Veranstaltung der Gewerkschaften auf dem Markt, aber auch beim Maifest am Neuen Theater eine große Rolle. Warum Dirk Zöllner der Top-Act des Tages war.

Halle (Saale) - Hunderte Zuhörer kleben an den Lippen von Dirk Zöllner, als er vor dem Neuen Theater nicht abrockt, sondern eine tief bedrückte Mairede hält: „Der Mainstream verlacht den Pazifisten als naiv und der Begriff mutiert am Stammtisch mittlerweile zum Schimpfwort. Wer nicht dafür ist, ist auf der Seite des Aggressors! - in meinem Empfinden eine sehr einfache Rhetorik. Mein Herz schlägt für russische und ukrainische Deserteure.“ Der 59-Jährige, Kopf der Band „Die Zöllner“ und seit mehr als zehn Jahren mit dem Intendanten des Neuen Theaters Matthias Brenner befreundet, beschreibt seine Angst vor einem Atomschlag und kritisiert die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Es gibt Applaus und kritische Stimmen.

Doch Dirk Zöllner, Stargast bei der traditionellen 1. Mai-Feier am Neuen Theater, ist nicht der einzige, der sich angesichts des Krieges im Zwiespalt findet. Jane Unger, eine der Rednerinnen auf dem Podium der Gewerkschaften auf dem Marktplatz, kritisierte den Hashtag „#nie wieder krieg“, den der DGB für den ersten Mai gewählt hat. „Der Hashtag sollte #frieden heißen“, sagte sie. Matthias Brenner, der von seiner eigenen Veranstaltung auf den Markt gependelt war, sang ein Lied von Erich Mühsam, das auch in der Not zur Freude als Überlebensstrategie aufruft: „Wir trinken auf Leben und Sterben, wie wollen im Leben versinken.“
Ostbeauftrater Carsten Schneider zu Gast
Auch wenn der 1. Mai als Tag der Arbeit vom Gastredner auf der Marktbühne, dem Ostbeauftragten der Regierung Carsten Schneider (SPD), im Licht von der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro und der Einführung der Grundrente sowie dem Entlastungspaket der Regierung als positiver Tag geschildert wurde, so war vielen Personen an den zahlreichen Ständen der Parteien, Gewerkschaften und Vereine nicht zum Jubeln zumute.

So zum Beispiel dem Runden Tisch Rentengerechtigkeit, der sich für eine Abschaffung der Rentenlücke in den neuen Bundesländern einsetzt. Deren Sprecher Dieter Polster gelang es, mit Carsten Schneider am Rande der Veranstaltung ins Gespräch zu kommen. Mit einem riesigen Plakat hatten die Mitglieder vor der Bühne auf sich aufmerksam gemacht.

Auch für Mario Hennig von der IB Bau war der 1. Mai keineswegs ein Tag zum Feiern: Im Süden Sachsen-Anhalts sind nur noch rund 3.000 Bauarbeiter Mitglied in der Gewerkschaft, seit der Wende habe die Zahl abgenommen. „Wer Mitglied in der Gewerkschaft ist, verdient rund 15 Prozent mehr“ sagt er - denn Tarifverträge gelten nur für Gewerkschaftsmitglieder.
Spenden für Ukraine-Hilfe des Uniklinik
Und auch am Neuen Theater gab es neben dem traditionellen fröhlichen Mailiedersingen Sorgenfalten. Denn wegen fehlenden Geldes für die Ukraine-Hilfe des Uniklinikums stellte Ole Hensch das Projekt vor und bat um Spenden. „Drei Lastwagen mit Hilfsmitteln wie Medikamenten und chirurgischem Material haben wir schon auf den Weg geschickt, in der nächsten Woche startet ein vierter“, erklärte er. Im Grunde könnte die Uniklinik jeden Tag einen Hilfstransport losschicken, doch das Geld sei nun aufgebraucht. Mit über 100 Ärzten, Schwestern und Apothekern aus der Ukraine, die jetzt in Halle leben, habe die Ukraine-Hilfe der Uniklinik ein Netzwerk aufgebaut. Ob Kuchen, gefüllte Dumplings oder künstlerisch gestaltete T-Shirts, die Psychologin Anna Rakityanskay und Krankenschwester Olha Strozhuk, beide ukrainische Flüchtlinge, halfen neben weiteren beim Spendensammeln zum 1. Mai.
„Wenn man über ein lebendiges Herz verfügt, kann man sich des Mitgefühls für die Kriegsopfer nicht erwehren, und es ist die Aufgabe der Stunde, den in Not und Leid geratenen Menschen zu helfen“, betonte auch Musiker Dirk Zöllner am nt.