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Halle Halle: Venedig im Kühlen Brunnen

Von Michael Falgowski 23.04.2012, 18:39

Halle (Saale)/MZ. - In Venedig hat 1537 Sebastiano Serlio seine "Tutte l'opere d'architettura" veröffentlicht. Der Italiener verfasste die Architekturtheorie einer Epoche, die damals noch nicht Renaissance hieß, sondern schlicht der letzte Schrei war. Das Buch enthielt auch die Darstellung einer Zimmerdecke. Und schon kurz darauf wurde diese Decke in Halle, im Stadtpalast Kühler Brunnen, nachgebaut. Den hatte Hans von Schenitz, der berühmte Patrizier und Günstling Kardinal Albrechts, als prächtiges Wohn- und Handelshaus bauen lassen. Als die bunte Decke eingebaut wurde, war Bauherr Schenitz selbst freilich schon auf dem Schafott gestorben.

"Der Stadtpalast gehört zu den bedeutendsten patrizischen Renaissance-Bauten in Mitteldeutschland", sagt Franz Jäger vom Verein Freunde der Bau- und Kunstdenkmale Sachen-Anhalt. Doch Jäger macht sich Sorgen. Denn gut die Hälfte des wertvollen historischen Ensembles an der Quelle des Kühlen Brunnens steht seit vielen Jahren leer. "Der Stadtpalast ist in weiten Teilen dem Verfall preisgegeben." Das Areal umfast heute noch die Baudenkmale der Häuser Markt 15 und 16 mit ihren Seitengebäuden sowie den auffälligen Saalbau samt Torhaus an der Großen Nikolaistraße.

Unscheinbares Markthaus 16

Die rund 470 Jahre alte, in Mitteldeutschland einzigartige Saaldecke nach der venezianischen Vorlage Serlios befindet sich im Erdgeschoss des sogenannten Galeriebaus hinter dem 1521 errichteten Haus Markt 16. In dessen blinden Fenstern zum Markt hin klebt noch immer die Werbung für das früher bekannte Geschäft "Samen-Krug". Im Erdgeschoss werden von asiatischen Händlern Pullover und Büstenhalter angeboten.

Ende der 90er Jahre wurde das längst geteilte Stadtpalais-Anwesen auf mehreren Versteigerungen von drei Investoren erworben. Doch während der Marktplatz 15 saniert ist und der Kühle Brunnen 1 - der auffällige Saalbau samt Erker und Torhaus, die zur "hallischen Brauerei" gehören - wenigstens gut gesichert ist, tut sich am Markt 16 nicht viel. Die drei Gebäude gehören dem Frankonia-Immobilienkonzern, der in Halle unter anderem den Kaufhof am Markt baute. Doch das Interesse an dem Denkmal scheint gering. Nur Planen schützen die maroden Dächer. "Die Frankonia kann sich dazu leider aktuell nicht äußern", lautet die dünne Auskunft auf eine Anfrage der Mitteldeutschen Zeitung. So bleiben die Zeugen hallescher Renaissance-Pracht bedroht. Neben der Felder-Decke gehört ein Sandsteinportal dazu. Es befindet sich im Erdgeschoss des Galeriebaus an der Hofwand zum Markthaus 16. Wahrscheinlich wurde es von süddeutschen Meistern geschaffen. "Denn außer in Halle finden sich derartige Portal-Elemente venezianischen Ursprungs nur noch in Augsburg. Und zwar am ersten Renaissancebau des Reiches, der 1519 vollendeten Fuggerkapelle an St. Anna in Augsburg!", sagt Anke Neugebauer. Die Kunsthistorikerin erforscht den Kühlen Brunnen.

Kaminsäulen aus der Gotik

Verloren gehen könnte auch der Renaissance-Kamin im Saal des zweiten Obergeschosses im Galeriebau. Anke Neugebauer: "Bei diesem Kamin wurden Säulen aus der Frühgotik um 1220 / 30 verwendet. Die Säulen könnten aus dem abgebrochenen Neuwerkstift stammen. Von dort hatte Schenitz zahlreiche Werkstücke beschaffen lassen."

Das Haus Markt 16 steht auf der Roten Liste der gefährdeten Baudenkmäler Halles. Für eine Sanierung gibt es eine Förderung durch die Kommune.