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Halle Halle: «Thomas Mann war homosexuell»

Von NIKOLAUS SCHULZ 17.10.2011, 20:08

Halle (Saale)/MZ. - "Wovon man nicht sprechen kann, darüber schreibt die Literatur - Sexualität bei Thomas Mann". Der Titel der Vorlesung von Professor Daniel Fulda lockte am Montag keine Studenten in den Hörsaal, sondern Schüler. Denn im Rahmen der diesjährigen Jugenduni bekommen Gymnasiasten in den Herbstferien einen ersten Einblick in das studentische Leben. Wie ist das eigentlich in so einer Vorlesung? Und welches Fach ist besonders interessant?

Eines der ersten Studienfächer, die die Schüler zum Auftakt kennen lernen konnten, war Literaturwissenschaft. Rund 40 Schüler kamen am MOntagnachmittag zu Fuldas Vorlesung über Thomas Mann. Es sei "ziemlich typisch, einen großen Autor über das ganze Semester zu behandeln", erklärte der 45-Jährige den Schülern zu Beginn. Gerade anhand von Thomas Manns Werk sei es ihm ein Leichtes zu verdeutlichen, wie viel Spaß Literaturwissenschaft machen könnte.

"Thomas Mann war homosexuell", eröffnete Fulda seinen Vortrag. Natürlich habe er sich in der restriktiven Zeit des frühen 20. Jahrhunderts nicht outen können. "Aber", fuhr der Literaturwissenschaftler fort, "worüber er nicht sprechen konnte, darüber schrieb er." Das Spannende sei, dass Thomas Mann nicht direkt über seine Neigung geschrieben habe. "Das hätte ihn damals seinen Erfolg gekostet", erklärte Fulda. "Deswegen schrieb Mann maskenhaft über seine Homosexualität." Die Aufgabe des Literaturwissenschaftlers sei es, diese Maske zu identifizieren, unter die Oberfläche der Texte zu schauen, zwischen den Zeilen zu lesen.

"Hat Thomas Mann, der ja verheiratet war und sechs Kinder hatte, seine Homosexualität durch seine Werke ausgelebt?", wollte eine Schülerin wissen. Fulda entgegnete: "Mann beschrieb sich selbst als von hoffnungslos anderer Art, weil er mit seiner Homosexualität nie das bürgerliche Leben hätte führen können, das er so gern wollte." Am Ende des Vortrags hielt Fulda ein Plädoyer für ein intensives Literaturstudium: "Die Literatur erlaubt es, ganz andere Dimensionen des Lebens und der Welt zu erfahren."

Nicole Adolf aus der 13. Klasse der Friedrich-List-Schule zeigte sich nach der Vorlesung begeistert: "Es war sehr interessant." Aber ob sie sich für die Literaturwissenschaft nach dem Abitur entscheiden werde, könne sie jetzt noch nicht sagen. "Ich schaue mir erstmal die anderen Vorlesungen diese Woche an. Politik finde ich auch ganz interessant."