Halle Halle: Seniorenbesuchsdienst «KlingelZeichen»
Halle (Saale)/MZ. - Reisen war Gerda Schröders Passion. Als ihr Mann noch lebte, waren sie oft unterwegs. Geblieben sind ihr die Fotos und Erinnerungen - jetzt ist Gerda Schröder allein. Dass die 84-jährige dennoch nicht einsam ist, verdankt sie auch Dorothée Kleemann. Kleemann gehört zum "Seniorenbesuchsdienst KlingelZeichen" und besucht, wie der Name schon sagt, ehrenamtlich Senioren. Das Projekt mit Schwerpunkt in Halle-Neustadt findet so regen Zuspruch, dass die Freiwilligenagentur, unter deren Dach die Initiative gestartet ist, es nun auf andere Stadtbereiche ausweiten will.
Spazieren in Neustadt
Die Idee ist denkbar einfach. Viele sind im Alter einsam, weil sie nicht mehr so können, wie sie wollen, und weil oftmals die Angehörigen nicht in der Nähe wohnen. Freiwillige wie Dorothée Kleemann besuchen sie, zum Reden, für Spaziergänge oder, um Ausflüge zu machen. So auch bei Gerda Schröder. "Die Beine machen nicht mehr viel mit." Dennoch nehmen sich Kleemann und Schröder seit einem Jahr einiges vor, spazieren durch Neustadt, gehen Schuhe kaufen oder laufen einfach nur über den Markt. Ihr Programm für die nächsten Wochen: "Ein Besuch im Botanischen Garten wäre toll", sagt Schröder. "Dazu brauche ich eben einen Partner, alleine schaffe ich das nicht mehr." Doch auch für Dorothée Kleemann ist der Besuchsdienst mehr als ein Dienst. "Ich habe auch selbst etwas davon", sagt sie. "Denn durch die Spaziergänge lerne ich zum Beispiel Halle-Neustadt kennen. Das ist spannend, genau wie die Geschichten aus dem alten Halle, die Frau Schröder mir erzählt."
Es sind, von den Mobilitätseinschränkungen abgesehen, Beziehungen auf Augenhöhe, die so entstehen. "Die Leute bekommen wieder Kontakt nach außen, können am gesellschaftlichen Leben teilhaben", sagt Kleemann. "Aber die Freude an den Besuchen beruht schon auf Gegenseitigkeit."
"Natürlich muss die Chemie stimmen", erklärt Gisela Ragutt. Die Neustädterin ist Freiwillige der ersten Stunde, besucht selbst Senioren und macht die Antrittsbesuche, um herauszufinden, wer zu wem am besten passen könnte. Ihre Motivation für den Dienst beschreibt die 69-jährige so: "Ich fand, ich bin noch so fit, dass ich anderen etwas gutes tun kann." Im Winter werden es zwei Jahre, seit die ersten Ideen entstanden. Inzwischen besuchen rund 25 Freiwillige etwa 30 alte Leute.
Kontakt zu interessierten Senioren kommt auch über Petra Friebel zustande. Sie ist Seniorenbetreuerin bei der GWG, eine Stelle, die es in Deutschland noch nicht oft gibt. "Hier in Neustadt haben wir den höchsten Altersschnitt in Halle. Die Hälfte unserer Mieter ist über 60 Jahre alt", sagt Friebel. Speziell für deren Belange ist sie da. "Viele haben natürlich Hilfe nötig, weil die Gesundheit nicht mehr mitspielt. Rund ein Drittel sind zwar gesund, aber einsam."
Doch natürlich ist das Problem nicht auf Neustadt beschränkt. Oliver Daffy, der das Projekt von Seiten der Freiwilligen-Agentur betreut, kann sich das Projekt überall in Halle vorstellen. "Im Prinzip ist das Nachbarschaftshilfe. Leute kommen in einem Stadtteil aufeinander zu." Zur Zeit startet "KlingelZeichen" in der südlichen Innenstadt. "Doch der Stadtteilbezug ist kein Dogma. Das freiwillig zu machen und interessierte Senioren zu finden, ist die Hauptsache."
Sicheres Gefühl
Das beste Beispiel ist Dorothée Kleemann, die dank Gerda Schröder Neustadt erst entdeckt. Anderntags besucht sie Gisela und Eberhard Marx, ihre Neuen in Giebichenstein. Auch bei Marxens, beide Ende der Siebziger, ist die Mobilität das Hauptproblem. Sie geht an Krücken, er nur noch mit Rollator. Mit Begleitung fühlen sie sich sicherer. Mit Kleemann planen Sie nun die ersten Ausflüge: "Früher waren wir oft in Dölau. Das war immer ein herrlicher Sonntagsspaziergang durch die Heide. Den wollen wir gerne wieder einmal machen."