Halle Halle: Schlafen für die Stadtkasse
Halle (Saale)/MZ. - In Berlin ist sie beschlossene Sache und sorgt für Diskussionen: die offiziell "City Tax" genannte Bettensteuer für Touristen. Auch in Halle wird heftig über die Einführung einer ähnlichen Abgabe für Besucher debattiert. Wie in der Bundeshauptstadt laufen aber ebenso an der Saale die Hotelbetreiber Sturm gegen den Schlummer-Euro.
Angestoßen worden ist die Diskussion in Halle durch einen Antrag von Tom Wolter von der Stadtratsfraktion Mitbürger / Neues Forum. Ohne konkrete Summen vorzugeben, plädiert der Theater-Regisseur für eine "Kulturförderabgabe", mit der die defizitgeplagte Stadt Einnahmen zur Unterhaltung der Bühnen und Orchester erzielen könnte. "Es geht um die Sicherung der Kulturvielfalt in der Stadt", sagte Wolter. Als Vorbild nennt er gern die Stadt Weimar, in der eine derartige Touristensteuer mit Erfolg erhoben werde.
Wolters Vorstoß wird von den Grünen und von der Linken unterstützt. Inés Brock (Grüne) hat mit einem eigenen Antrag sogar vorgeschlagen, einen Euro pro Nacht und gemietetem Hotelzimmer von den Touristen zu verlangen, bei Hotels mit mehr als 50 Zimmern sogar zwei Euro. CDU, SPD und FDP im Stadtrat lehnen diese Überlegungen aber strikt ab. "Das wäre nicht zielführend. Die Hotels haben es schon schwer genug. Und die meisten Gäste sind Kongressbesucher, die nicht wegen der Kultur nach Halle kommen", sagte beispielsweise Gertrud Ewert (SPD). Wolters Antrag wird in den Stadtratsausschüssen seit Jahresanfang diskutiert. Das Abstimmungsverhalten in den Gremien ist uneinheitlich. Zuletzt erhielt Wolters Antrag im Hauptausschuss sechs Ja- und sechs Neinstimmen und war damit abgelehnt. Die Abstimmung im Stadtrat am Mittwoch dürfte also spannend werden - mit völlig offenem Ausgang. Leidenschaftlich warnt Bertram Thieme, der Chef des Dorin-Hotels Charlottenhof vor einer Bettensteuer alias "Kulturförderabgabe". "Das wäre tödlich für die halleschen Hotels", sagte er der MZ und prophezeite drastische Besucherverluste. "Wir kämpfen mit allen Mitteln, dass die Veranstalter in Halle tagen", so Thieme weiter, mit einer Bettensteuer würden diese Bemühungen massiv behindert. Die Kongressbesucher machten mit rund 80 Prozent den größten Anteil der Hotelgäste in Halle aus. "Die allermeisten von denen haben überhaupt nichts von den Kulturangeboten." Und gut die Hälfte derjenigen Halle-Besucher, die wegen Theater oder Oper nach Halle kommen, schlafen Thieme zufolge außerhalb der Stadt.
Halle verfügt nach Thiemes Angaben über etwa 50 Hotels und andere Herbergen mit mehr als neun Zimmern. Laut Stadtmarketinggesellschaft wurden im vergangenen Jahr in Halle 162 268 Gäste ("Ankünfte") gezählt, die 300 245 Übernachtungen gebucht haben. Wie viele Zimmer dabei vermietet wurden, dazu lagen keine Zahlen vor. Bei einer Kulturförderabgabe von einem Euro je Tourist und Nacht - dies ist eine häufig diskutierte Variante - könnte die Stadt mit rund 300 000 Euro an Einnahmen rechnen. Ginge es nach Stadtmarketingchef Stefan Voß würden die Touristen sogar noch mehr zusätzlich zahlen: Er plädiert dafür, jedem Gast eine "Welcome-Card" für beispielsweise fünf Euro zu verkaufen, mit dem der Besucher vergünstigt den Nahverkehr nutzen, Theater besuchen und preiswerter in Restaurants essen kann und die über den Aufenthaltszeitraum hinaus gültig sein könnte.
Aus Voß' Sicht ist das aktives Marketing, das dem Gastgewerbe und vielen anderen Einrichtungen langfristig Mehreinnahmen beschert. "Damit machen wir doch viele Gäste erst auf die Angebote in der Stadt aufmerksam", argumentierte Marketing-Experte Voß. Kongressgäste, die aus Zeitmangel beim ersten Mal nicht gleich sämtliche Kulturstätten von Halle besuchen könnten, würden so vielleicht ein zweites Mal und dann mit der Familie in die Saalestadt kommen, um die Vorzüge der Welcome-Card zu nutzen.