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Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Tierärztin rettet verletzte Krähen und Hunde

Von kornelia privenau 07.08.2012, 19:19

Löbejün/MZ. - Als die junge Krähe, noch flugunfähig und zitternd vor Angst, in die Tierarztpraxis von Jessica Strauß gebracht wurde, kam so etwas wie ein Rettungsprogramm in Gang. "Natürlich erleben wir oft, dass kranke oder verletzte Tiere, die irgendwo aufgefunden worden sind, zu uns gebracht werden", sagt die Tierärztin. Aber dieser kleine Vogel mit seinem glänzenden Gefieder und den winzigen Knopfaugen - das sei schon etwas Besonderes gewesen. Ihn aufzupäppeln, ist nicht einfach, meint die erfahrene Veterinärin.

Zunächst musste sich Jessica Strauß ein Bild machen vom Allgemeinzustand des Krähen-Babys. Eine Frau hatte den Vogel an der B 80 gefunden und in die Tierarztpraxis am Löbejüner Einkaufszentrum gebracht. Wie in der Humanmedizin stehen der Ärztin Geräte zur Verfügung, um Verletzungen abzuklären, Laboruntersuchungen und auch Operationen vornehmen zu können. Die kleine Krähe hat Glück im Unglück - keine Knochenbrüche oder inneren Verletzungen. Praxishelferin Stefanie Dether und Studentin Elisabeth Biedermann sind darüber ebenso erleichtert wie die Tierärztin selbst, auch wenn auf das gesamte Team nun Mehrbelastung zukommen sollte.

Handaufzucht. Der Vogel ist so mager und kraftlos, dass es einige Tage am seidenen Faden hängt, ob er durchkommt. Die Ärztin gibt ihm mehrmals am Tag zusätzlich zum normalen Futter eine vitaminhaltige Nährlösung. Stefanie oder Elisabeth halten den Vogel, während Jessica Strauß den Schnabel öffnet und die Lösung in den Hals hinein verabreicht. Das sieht brachialer aus als es war. Man hatte sogar den Eindruck, die Krähe ahnte, jetzt kommt ein guter Schluck und zuckte kein bisschen.

Besondere Patienten hat die Kleintierpraxis häufig. Jessica Strauß sagt: "Wir behandeln keine Nutztiere wie Kühe oder Schweine. Das absolute Schwergewicht, das mir je unter die Hände kam, war ein 80 Kilo schwerer Bernhardiner. Unsere Patienten sind Hunde, Katzen, Vögel, Hamster, Meerschweinchen, eben alles, was unter den Begriff Haustier fällt." Aber sie schicke natürlich niemanden weg, der einen verletzten Waschbären, Feldhasen oder ein junges Reh in die Praxis bringt. Und das ist gar nicht so selten.

Bei solch überraschenden Patienten nutzt die Tierärztin auch ihre kleine Quarantäne, die ist notwendig, um Ansteckungen bei Mensch und Tier zu vermeiden, erklärt sie. Wie damals, 2006, als ihr jemand die Tetanus-kranke Hündin Bella brachte. Der erst fünf Monate alte Border Collie hatte sich mit der tödlichen Krankheit infiziert. "Niemand glaubte an ein gutes Ende", sagt Jessica Strauß. Doch ihr Ehrgeiz war geweckt und sie nahm den Kampf auf Leben und Tod auf. "Es hat drei Wochen gedauert und viel Kraft gekostet, ehe es geschafft war." Bella wurde, das ist nicht verwunderlich, zum Familienhund bei Sascha und Jessica Strauß. Der schwarz-weiße Vierbeiner ist lebensfroh, anhänglich und hat einen großen Bewegungsdrang. Bellas Fellzeichnung am Kopf lässt den Eindruck eines schelmischen Lächelns entstehen.

Jessica und Sascha Strauß haben sich im Tierpark Petersberg kennengelernt. Die Veterinärin kümmert sich hier medizinisch um alles, was kreucht und fleucht. Mittlerweile hat das Paar geheiratet und Söhnchen Jan ist schon ein Jahr alt. Der Biologe und die Tiermedizinerin ergänzen sich in ihren Berufen richtig gut, wie sie sagen. In mancher Ausnahmesituation hat das beiden schon geholfen. "Sich ergänzen zu können, ist ganz wichtig", sind sich beide einig.

Immer wieder gibt es Momente, die für sie unvergesslich sind. So war der erste Wurf junger Polarwölfe solch ein Moment. Jessica Strauß hat sie gewogen, geimpft, gechipt und ihr Werden und Wachsen miterlebt. Oder der junge Schelladler, der sich im Nebel verflog und dessen Sender nicht funktionierte. "Dieser seltene Raubvogel steht unter strengstem Artenschutz und mir schlug das Herz schneller, der hat eine Flügelspannweite von beinahe zwei Metern. Das flößt jedem Respekt ein. Wir haben erst mal versucht, herauszufinden, woher er kam." Das Tier war völlig verstört und unterernährt. Die Vogelschutzwarte hat sofort reagiert und das Tier zunächst nach Berlin in die Tierklinik gebracht. Es hatte sich herausgestellt, dass der Habichtsvogel aus Polen stammte und dorthin kam er auch zurück - gesund und munter.

Solch spektakuläre Ereignisse passieren natürlich nicht jeden Tag. Häufiger sind die kleinen Wehwehchen von Hund, Katze, Hamster, Meerschweinchen und Maus und die Sorge ihrer großen und kleinen Besitzer. Geduld und Einfühlungsvermögen sind da gefragt und manchmal auch ein kleines Ablenkungsmanöver. Da helfen die großen Tierbilder im Wartezimmer oder die lustigen Springmäuse im Terrarium.

Jessica Strauß sagt: "Wir behandeln keine Gifttiere. Mein außergewöhnlichster Patient war ein spanischer Rippenmolch, sehr exotisch, aber ungefährlich." Aber das war eine Ausnahme, fügt sie hinzu. Und die junge Krähe ist inzwischen schon erfolgreich ausgewildert worden.