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Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Suche nach neuem Zuhause

Von Felix Knothe 09.02.2012, 17:37

landsberg/MZ. - Kinder sollten ein Zuhause haben, geborgen, behütet, liebevoll. Wenn das Leben oder das Schicksal es aber nicht so gut meint, wenn das Jugendamt Kinder aus ihren Familien holen muss, dann bleibt oft nur die Wahl zwischen einem Heim oder einer Pflegefamilie. Doch während die Zahl der Fälle in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, gibt es nicht unbedingt mehr Familien, die ein Pflegekind aufnehmen. Daher sucht der Saalekreis nun verstärkt nach Pflegeeltern.

"Die Gründe, warum Kinder aus ihren Familien geholt werden, sind vielfältig", erklärt Dagmar Gollnast. Sie ist Leiterin des Pflegekinderdienstes beim Jugendamt des Saalekreises. Die eine Seite seien allgemeine Erziehungsprobleme, Überforderung oder finanzielle Not, die andere Seite seien Vernachlässigung und Missbrauch. In letzter Zeit seien es verstärkt ältere Kinder, die in Pflegefamilien gegeben werden, oft wegen starker erzieherischer Auffälligkeiten. "Viele Leute sind heute nicht mehr in der Lage, ihre Kinder ordentlich zu erziehen", sagt Gollnast, "sie werden sich selbst überlassen."

Auffangen müssen das dann Pflegefamilien. 73 Kinder leben derzeit im nördlichen Saalekreis in diesem Modell. Damit sind zwar alle Kinder untergebracht, doch fehlt dem Jugendamt mittlerweile die Auswahl. "Es muss alles passen, wenn man Kinder in eine Familie gibt. Deshalb prüfen wir die Bewerber auch auf Herz und Nieren."

In Frage komme nur, wer selbst nicht von staatlichen Mitteln lebe. Auch Gesundheits- und polizeiliches Führungszeugnis sind ein Muss. Stimmen diese Voraussetzungen, dann folgen Bewerberseminare, Gespräche und Hausbesuche. Erst wenn alles passt, kommt eine Familie in die Wahl.

Aber auch danach kann es dauern. "Viele verstehen am Anfang nicht, dass man auch Monate warten kann, bis einmal Kind und Pflegefamilie zusammenpassen. Das Jugendamt achtet darauf sehr genau", sagt Kerstin Quirin. Die Merseburgerin ist Vorsitzende des Pflegeelternvereins "Kinder unterm Regenbogen". Leider gebe es keinen Kontakt zu Eltern aus dem Norden des Kreises. "Dazu sind einfach die Wege zu weit und die Kreisfusion noch jung." Dass eine Vernetzung auch hier sinnvoll wäre, hat das Jugendamt erkannt und bietet in mehreren Orten Stammtische an. Für Nehlitz, Landsberg und Löbejün gibt es schon Termine. "Wir wollen einen Austausch in die Wege leiten", sagt Dagmar Gollnast.

Einige Familien aus dem Alt-Saalkreis sind Mitglied im halleschen Pflegeelternverein "Ich bin für dich da". Auch dessen Vorsitzende Uta Götze betont, wie wichtig der Austausch untereinander ist: "Die Kinder haben oft viel Leid erlebt, und das bringen sie mit in die Pflegefamilien. Der Austausch hilft, damit fertig zu werden."

Wegen dieser Belastungen will Dagmar Gollnast auch niemanden drängen. "Das Interesse muss von den möglichen Pflegeeltern selbst kommen. Wir leisten keine Überzeugungsarbeit. Damit ist niemandem geholfen."

Unterstützt werden die Pflegeeltern aber durchaus. Allein zwei Mitarbeiterinnen sind im nördlichen Saalekreis unterwegs. Im Schnitt betreuen sie etwa 35 Kinder. Wissenschaftlich empfohlen sei zwar eine Betreuungsrelation von 25, so Gollnast, im Vergleich zu anderen Kommunen sei man aber gut ausgestattet. "Es ist allerdings an der Grenze, wenn man die Arbeit gut machen will."

Allen Pflegeeltern steht eine Aufwandsentschädigung zu. Gibt es Familien, die sich nur deswegen melden? "Das ist ein totales Vorurteil", stellt Gollnast klar. "Die Höhe der Entschädigung bemisst sich nach Alter und Förderbedarf des Kindes. Das brauchen die Familien tatsächlich, davon wird man nicht reich."Es ist eine schwere Entscheidung, Pflegeeltern zu werden. Für die betroffenen Kinder ist es aber ein Zuhause, geborgen, behütet und liebevoll - wenn auch nur auf Zeit.

Interessenten können sich an das Jugendamt des Saalekreises unter Telefon 03461 / 40 15 25 wenden.