Halle/Saalekreis Halle/Saalekreis: Faulenzen leicht gemacht?
Halle (Saale)/MZ. - Brummende Wirtschaft, Fachkräftemangel - die Aussichten für Arbeitslose, in Halle und Umgebung wieder einen Job zu bekommen, waren lange nicht so gut wie heute. Doch müssen Firmen trotzdem immer noch die Erfahrung machen, dass manch Arbeitsloser nur schwer oder gar nicht zu bewegen ist, einer Tätigkeit nachzugehen. Dieser Fakt, der sich auch bei der geringen Resonanz auf einen Gebäudereiniger-Fortbildungskurs beim Tüv Rheinland andeutet, ist am Montag von der Kreishandwerkerschaft Halle (KHS) bestätigt worden.
"Es gibt Leute, die sich schnell in einer Firma integrieren. Es gibt aber auch welche, die schon nach einer Woche hinschmeißen, weil es ihnen zu unbequem ist, arbeiten zu gehen", sagte KHS-Geschäftsführerin Petra Patzschke. Nach ihrer Einschätzung nehme Letzteres und damit die Schwierigkeit zu, offene Stellen zu besetzen. "Da gibt es eine steigende Tendenz, weil diejenigen Arbeitslosen, die sich selbst bemühen, bereits Anstellungen gefunden haben", so Patzschke. Einen Einfluss der oft geringen Unterschiede zwischen dem Lohn für Gebäudereiniger und andere Handwerker und dem Arbeitslosengeld sowie Hartz-IV-Leistungen wies die Geschäftsführerin jedoch zurück.
Wird es Arbeitslosen also zu leicht gemacht, Stellen und Lehrgänge abzulehnen? Bei der Agentur für Arbeit und beim Jobcenter in Halle, das die Langzeitarbeitslosen betreut, weist man diese Vermutung strikt zurück. "Die Arbeitnehmer können nicht ohne Weiteres einen Job ablehnen", sagte Agenturchefin Petra Bratzke. Ansonsten drohten den Betreffenden die Kürzung des Arbeitslosengeldes. Im Extremfall bekämen Unwillige statt monatlicher Zahlungen nur noch Lebensmittelgutscheine. Sanktionen drohten auch beim Ignorieren einer Weiterbildungsempfehlung. Bratzke zufolge sei der Anteil der Verweigerer unter den etwa 20 500 von der Agentur betreuten Arbeitslosen verschwindend gering. "Unsere Sanktionsquote liegt zwischen 1,5 und 2,5 Prozent und damit unter dem Bundesdurchschnitt", so Bratzke.
Ähnlich die Einschätzung beim Jobcenter. "Eine Vielzahl der Arbeitslosen ist bereit, über Qualifizierungen und zum Beispiel einen Wohnortwechsel eine Arbeit aufzunehmen", sagte Behördensprecher Michael Rücker. Auch beim Jobcenter drohten Vermittlungsunwilligen Leistungskürzungen von bis zu 100 Prozent über drei Monate. 2011 seien insgesamt 4 321 Mal Sanktionen verhängt worden. Das Jobcenter betreut rund 36 000 Langzeitarbeitslose und deren Angehörige. Vergleichszahlen für 2010 nannte Rücker allerdings nicht.
Hier die offiziellen Einschätzungen von Arbeitsagentur und Jobcenter - dort die Erfahrungen der Handwerker. Die Schilderungen von KHS-Geschäftsführerin Patzschke erhärtet aber zumindest teilweise die Angaben eines Kenners der Arbeitslosenverwaltung. Dieser Experte, der seinen Namen nicht öffentlich nennen wollte, sagte, dass es sich bei den noch nicht vermittelten Langzeitarbeitslosen beim Jobcenter vielfach nur noch um schlichtweg arbeitsunfähige und -unwillige Menschen handelt. Zumindest scheint der Anteil der wirklich schweren Fälle zuzunehmen: Bei der Wirtschaftsschule in Halle wird in Lehrgängen versucht, Langzeitarbeitslose, denen der Neustart auf dem Arbeitsmarkt sehr schwer fällt, wieder fit zu machen. "Die Zielgruppe wird immer größer", sagte der Geschäftsführer des freien Bildungsträgers, Andreas Kruth.
Allerdings liegt es auch nicht nur an dem vermeintlichen Desinteresse der Arbeitslosen. Das meint zumindest Andreas Nowottny, der Leiter des Bildungs- und Technologiezentrums der Handwerkskammer Halle. Er deutete an, dass ein mangelnder Zulauf bei Fortbildungen auch an der Qualität der Kurse liegen könnte. Die Menschen setzten heute mehr denn je auf hochwertige Ausbildung. Die Handwerkskammer wolle diesem Anspruch Rechnung tragen. "Unsere Abschlüsse sind auf dem Arbeitsmarkt gern gesehen", so Nowottny, "das wissen auch viele."