Halle-Saale-Schleife Halle-Saale-Schleife: Ein schweißtreibender Traum

Halle/MZ. - Sie sind ohrenbetäubend,einfach ohrenbetäubend. Im Minutenrhythmuspreschen die Maschinen an den Zuschauern vorbei- in einem Tempo, bei dem ein gutes Auge braucht,wer Startnummern erkennen will. Verteilt aufdie 5,267 Kilometer lange Strecke stehen dieBesucher am Rand hinter Sicherheitszäunenund sind begeistert. "Klasse!", sagen ChristophThiele (27) und Vater Thomas (49) aus Wittenberg.Warum? Verwundertes Kopfschütteln: "Das hörtman doch!" Es ist der Sound von bis zu 200PS, der Motorradfans aus ganz Sachsen-Anhaltan den Gimritzer Damm in Halle zieht. Es istauch die Mischung von modernen Maschinen undKlassiker-Rennen mit Motorrädern aus den 50ernoder Oldtimer-Rennwagen wie Melkus F3 undSpider. Aber vor allem ist es der Mythos derStrecke, an die einst fast 200000 Fans proRennen kamen, ehe sie in einen 43-jährigenDornröschenschlaf fiel.
Zum ersten Mal seit 1967 hat es auf der legendärenHalle-Saale-Schleife an diesem Wochenendewieder ein Rennen gegeben. Da verwundert esnicht, dass Erinnerungen aufleben. "Ich warals kleiner Junge dabei, mein Vater war hierStreckenbeobachter", erzählt der 74-jährigeGerhard Greger und schwärmt von selbst gebautenRennkisten von einst. Auch Günther Poser (64)und Wolfgang Messner (74) aus Halle denkenzurück: "Anfang der 50er standen wir in derzehnten Reihe auf einer Malerleiter", sagensie. Diesmal ist es Reihe zwei - im Schatten,in den sich viele bei der Hitze retten. "Schade,dass nicht mehr Zuschauer da sind", sagt Messner.
Nur 2000 waren es am Vortag beim Zeittraining."Die Hitze hat uns einfach viele Besuchergekostet", konstatiert Hinrich Hinck, norddeutscherUnternehmer, der die Wiederbelebung der Streckevor drei Jahren in Angriff nahm. "Ich kanntesie aus Büchern, irgendwie war es nur eineFrage der Zeit", sagt der 55-Jährige. Undmalt Visionen von einer Halle-Saale-Schleife,die sich im internationalen Rennkalender etabliert."Halle hat hier einen richtigen Schatz."
Das Straßenrennen muss sich aber auch rechnen.Auf 20000 Besucher hat Hinck gesetzt - amEnde sind es nur 8500. Und auch wenn die"begeistert sind und Tränen in den Augen haben",wie er sagt: 105000 Euro Unkosten deckensie nicht. 200 Helfer und Streckenposten sinddabei, 100 Sattelzüge voller Stroh sind nachHalle gefahren, 1600 Strohballen als Puffervor die Zäune gelegt worden. Stürze sind dieAusnahme, es bleibt bei drei Rutschern, einemSchlüsselbeinbruch. "Da passiert auf permanentenRennstrecken mehr", so Hinck. Sorgen machenihm die Finanzen. "Wir bräuchten wohl Sponsoren.Ich will alles tun für eine zweite Auflage."Denn an das Interesse der Fans hat er festgeglaubt. Allein 300, vor allem ältere, hättenihn zuletzt angerufen. "Sie konnten nichtglauben, dass es tatsächlich so weit ist miteinem Rennen."
Das ging Ralf Schaum ähnlich. "Wirklich bewusstgeworden ist es mir vor zwei Wochen", sagtder 62-Jährige vom Oldtimerstammtisch Teicha(Saalekreis). Schon 1979 schrieb eine Zeitungüber seinen Traum vom Start auf der Halle-Saale-Schleife."Wir haben die Glut immer erhalten", sagter. Und: "Auf diesen Moment habe ich langegewartet." Ebenfalls von 1979 ist die MaschineMarke Eigenbau, mit der er in der 50-Kubik-Klassestartet.
In eine wahre Hitzeschlacht, auch für dieFahrer. "Da dampft der Kopf unterm Helm, beschlagendie Visiere. Die Temperaturen sind an derSchmerzgrenze", sagt Streckensprecher EgonMüller, selbst einst Speedway-Weltmeister.Heute prägt er Rennen mit seiner lockerenZunge. Gemeinsam mit Ulf Staschel - dem Neffeneines mehrfachen früheren Gespann-Siegersin Halle - kommentiert er auch manch Seltersduscheund die "Grid Girls", die den Fahrern beimWarten in der Vorstartzone mit Schirmen Schattenspenden. Müller selbst hat sein Mittel gegenHitze gefunden: Es heißt Didier Grams, stammtaus Limbach-Oberfrohna, ist Gewinner des 3-Nationen-Cups2009. Und sorgt mit seiner Suzuki GSXR fürGänsehaut bei Müller. Nicht erst, als er denwiederbelebten Mythos im zweiten Rennen derschnellsten von elf Startklassen - der "SuperBike Open" - gewinnt.
