Fragile Sicherheit Halle (Saale): Afghanin kämpft darum als Flüchtling anerkannt zu werden

Halle (Saale) - Vor wenigen Wochen kam das Schreiben vom Verwaltungsgericht Halle. Soosan Jafari hält es stolz in den Händen. Das Gericht bewilligt ihr Prozesskostenhilfe. Ihr Anwalt Wolfgang Breidenbach ist zufrieden: „Das ist ein Signal, dass ihre Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg hat.“
Soosan Jafari möchte in Deutschland als Flüchtling anerkannt werden
Die zierliche junge Frau mit den langen dunklen Haaren klagt vor dem Verwaltungsgericht, weil sie ihren Status als Flüchtling verbessern will. 2015 kam die Afghanin nach Deutschland. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt, doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verhängte ein Abschiebeverbot. Die Begründung: Als alleinstehende, junge und mittellose Frau wäre sie nicht in der Lage, in Afghanistan ihr Existenzminimum zu sichern.
Soosan Jafari, 25, möchte als Flüchtling anerkannt werden, zumindest aber den subsidiären Schutzstatus erhalten. Im ersten Fall könnte sie möglicherweise ihren Vater nach Deutschland holen, der noch im Iran lebt. Der subsidiäre Schutz greift dann, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden können und im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.
Die Geschichte der Familie ist komplizierter als es den Anschein hat. Vater und Mutter stammen aus Afghanistan. Vor fast 40 Jahren flohen sie unabhängig voneinander in den Iran, im Zusammenhang mit dem sowjetischen Einmarsch in ihre Heimat. Erst im Iran lernten sie sich kennen, heirateten und gründeten eine Familie. Soosan, ihre drei Schwestern und ihr Bruder sind im Iran geboren. Doch das Land betrachtet sie als Flüchtlinge mit afghanischer Staatsbürgerschaft und hat ihnen keine Pässe ausgestellt.
Wegen einer Familienfehde vor dem Hintergrund des Einmarsches der Sowjets werde ihr Vater auch nach fast vier Jahrzehnten aus Afghanistan heraus immer noch mit dem Tod bedroht, sagt Soosan Jafari, und seine ganze Familie gleich mit. Deshalb machten sich die junge Frau, ihre Geschwister und ihre Mutter 2015 auf den Weg nach Deutschland. „Mein Vater konnte nicht mitkommen, er ist krank.“ Der 57-Jährige leidet unter anderem an Knieproblemen, deswegen kann er auch nicht mehr arbeiten. Wenn Soosan Jafari von ihrem Vater spricht, wird sie leise und zurückhaltend. „Es ist nicht schön, dass er so weit weg ist“, sagt sie. Die Sehnsucht ist groß, auf beiden Seiten. „Mein Vater sagt immer, er möchte uns so gerne noch einmal sehen, bevor er stirbt“, erzählt sie. So oft es geht, telefonieren sie über WhatsApp miteinander - wenn die Internet-Verbindung ausreichend stabil ist. Herkömmliches Telefonieren sei zu teuer.
Fragile Sicherheit in Deutschland - Soosan Jafari trotzdem optimistisch
Trotz allem schaut Soosan Jafari optimistisch in die Zukunft. „Ich fühle mich sicher in Deutschland“, sagt sie, „Sicherheit ist doch das Wichtigste.“ Sie hofft, dass sie als Flüchtling anerkannt wird. Doch selbst wenn, vor dem geplanten Nachzug des Vaters stünden weitere Hürden. Da sie und ihre Geschwister schon volljährig sind, könnten sie den Vater nach geltenden Regeln nicht ohne weiteres herholen. Es sei denn, jemand würde für die Kosten bürgen. Würde das Gericht Jafari nur subsidiären Schutz zubilligen, fiele das Wiedersehen mit dem Vater in Deutschland auch ins Wasser: Für Migranten mit diesem Status ist der Familiennachzug bis März 2018 ausgesetzt. „Was dann kommt, weiß niemand“, sagt Anwalt Breidenbach. Erst einmal will Soosan Jafari sich auf ihre Ausbildung konzentrieren. Sie hat sich reingekniet, den Deutschkurs mit dem Niveau B 2 abgeschlossen, das ist eine Stufe höher als im Integrationskurs vorgeschrieben. Nun möchte sie Krankenschwester werden, vorerst hat sie Bewerbungen für ein Praktikum geschrieben. Der Schlüssel zu ihrer Zukunft in Deutschland ist eine kleine blassblaue Plastikkarte - ihr Aufenthaltstitel. Er ist zwar befristet bis Juni kommenden Jahres, doch der entscheidende Eintrag auf der Karte lautet: „Beschäftigung gestattet“. Ein knappes Jahr - das ist eine fragile Sicherheit. Auch ihr Bruder Mohammad, 23, hat Aufschub erhalten von den Behörden. Sein Asylantrag wurde zwar abgelehnt. Doch schon vor dem zwischenzeitlich verhängten Abschiebestopp nach Afghanistan konnte er wegen des fehlenden Passes nicht abgeschoben werden. Auch die afghanische Botschaft sah sich außerstande, ihm einen Pass auszustellen, weil sich seine Identität nicht belegen lasse.
Am 1. August hat Mohammad Jafari eine Ausbildung als Altenpfleger begonnen. Möglich macht es die Ausbildungsduldung. Sie besagt, dass abgelehnte Asylbewerber, die eine Lehrstelle haben, für die Dauer der Berufsausbildung geduldet, also nicht abgeschoben werden. Finden sie danach einen Arbeitsplatz, dürfen sie weitere zwei Jahre bleiben.
Mohammad Jafari hat Glück gehabt. „Macht Spaß, die Kollegen sind nett“, sagt er. „Nur die Lehrer in der Berufsschule verstehe ich nicht immer.“ Er zückt sein Smartphone. Im Zweifelsfall hilft es ihm beim Übersetzen. Bei der Sprache will er noch aufholen, sein Ehrgeiz ist geweckt. Schließlich hat er bisher nur B 1, eine Stufe niedriger als seine Schwester. (mz)