Halle Halle: Pleitewelle durch Klausbrücken-Umbau?
HALLE/MZ. - Bis Dezember soll das so bleiben. Reiner Diller bezweifelt, dass alle Anlieger-Geschäfte so lange durchhalten können. Mit seiner Sorge steht er nicht allein.
Wo früher an vielen Tischen bei Kuchen und frisch gebrühtem Kaffee geschwatzt wurde, ist es heute leer. Für den Nachmittag sind in Dillers Café ein paar Gäste angemeldet - zu wenig. Seit es die Baustelle gibt, fehlt die Laufkundschaft, die bisher die Hälfte des Geschäfts ausmachte. Aber auch Stammkunden bleiben fort. Denn jetzt muss man vom Markt aus über den Domplatz und die Mühlbrücke oder südlich über die Spitze und die Ankerstraße laufen, um zum Café zu gelangen. Den Umweg können viele - gerade ältere - Gäste nicht leisten und bleiben fort.
Nicht nur Diller geht es so: Gabi Krzizak von der Gaststätte "Zum Salzwirker" in der Mansfelder Straße spricht sogar von Verlusten zwischen 70 und 80 Prozent. Helmut Lührmann vom gleichnamigen Möbelhaus beklagt durch die Umleitungen Einbußen bis zu 50 000 Euro pro Monat. Arne-Grit Gerold vom Galerie-Verlag Mitteldeutschland kann ihre Verluste hingegen noch nicht einschätzen, denn das Geschäft mit Kunstkalendern beginnt erst im späten Herbst.
13 Geschäftsinhaber aus dem Robert-Franz-Ring und der Mansfelder Straße haben jüngst ein Schreiben an die Fraktionen und die Verwaltung geschickt. Darin fordern sie, "finanzielle Ausgleichszahlungen" an die betroffenen Ladenbetreiber zu prüfen.
Mittlerweile verständigten sich beide Seiten, doch Geld wird nicht fließen. "Es gibt keine Entschädigungsleistungen für Bauarbeiten im öffentlichen Raum", erklärt der Projektleiter des Klausbrücken-Umbaus, Dieter Beele.
Mitarbeiter der Stadt unterstützen die Geschäftsinhaber und stehen ihnen bei Ämtergängen sowie Verhandlungen mit Lieferanten zur Seite. Auch Diller nahm die Hilfe an, konnte so die Stromabschläge reduzieren und für seine mithelfende Ehefrau und den Koch Kurzarbeit vereinbaren. Für sich selbst hat Diller Hartz IV beantragt.
Spezialgeschäfte wie der Herrenausstatter "David und Goliath" haben weniger Einbußen als die Gastronomiebetriebe. Sie leiden vor allem unter der Ausschilderung. Viele Kunden berichteten, dass sie nicht mehr zu ihnen fänden, erzählt die Inhaberin des Herrenausstatters, Antje Müller. Autofahrer, die vom Norden her in den Robert-Franz-Ring fahren, würden vom Schild "Anlieger frei" abgeschreckt; vom Markt aus fehlen Hinweise auf die Geschäfte.
Ab kommender Woche sollen nun in Höhe des Marktschlösschens Schilder aufgestellt werden, die auf die Läden jenseits der Brücke hinweisen, erklärt Projektleiter Beele. Für Autofahrer soll das Schild "Anlieger frei" durch den Zusatz, dass dies auch für Kunden und Lieferanten gilt, erweitert werden. Weitere Vorschläge der Geschäftsleute würden derzeit geprüft, so Beele. Zum Beispiel die Ampelregelung an der Ankerstraße, Ecke Mansfelder Straße zu ersetzen, um den enormen Rückstau - zum Teil bis in den Robert-Franz-Ring - zu mindern. Ob Schienenersatzverkehr in dem Gebiet sinnvoll sei, überprüfe die Havag derzeit.
Diller weiß nicht, wie er die kommenden Monate überstehen soll - schon jetzt sagt er: "Wir sind am Nullpunkt angekommen." Andere haben bereits Konsequenzen gezogen: Im Schaufenster von "Michas Bistro" hängt ein Zettel, auf dem steht, man werde erst nach dem Ende der Bauarbeiten wieder öffnen.