Halle-Neustadt-Geschichten Halle-Neustadt-Geschichten: Weg vom Negativ-Image

HALLE (Saale)/MZ - „Das Wort Plattenbau ist einfach negativ besetzt“, sagt Rita Nimke. Das Image von Neustadt leide darunter und der Stadtteil habe es deswegen doppelt schwer. Sie schlägt vor, die Häuser einfach „Mehrfamilienhäuser“, „Hochhäuser“ oder „Fünfgeschosser“ zu nennen.
Seit 1967 wohnt das Ehepaar in Neustadt und ärgert sich gerade deshalb darüber, dass gerade Jüngere überhaupt nicht wissen, wie gut man heute in den Häusern wohnt. Zumindest in den sanierten: „Wir leben in einer Wohnung in der Hallorenstraße, die nach unseren Wünschen während der Sanierung umgebaut worden ist.“ Und auch die Miete stimme, es sei ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Zudem habe das Haus einen Fahrstuhl und ruhige Mieter, die auch mal den Unrat vor dem Haus wegräumen. Für das Haus spreche auch, dass keine Wohnung leer stehe.
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Die beiden heute 69-Jährigen stammen aus Genthin. Dort war in den 60er Jahren keine Wohnung zu bekommen. Deswegen sind sie nach dem Studium nach Neustadt gekommen, wo viele Wohnungen gerade im Entstehen waren. „Dann sind wir in Leuna gelandet“, berichtet das Ehepaar. Er fand eine Anstellung als Elektromonteur, sie als Konstrukteur. Und sie waren und sind immer zufrieden in Neustadt, auch wenn es hier heute wenig Kulturangebote gibt. Denn schließlich sei Halle nicht weit weg - und dort gibt es Theater, Oper und Konzerte. Und - um auf das Thema zurückzukommen - dort, in der Altstadt, spreche man doch auch nicht explizit von „Fachwerkhäusern“, „Ziegelhäusern“ oder anderen Fachbegriffen, sondern schlichtweg von „Wohnhäusern“.
Für Richard Paulick, den Chefplaner von Neustadt, und seine weiteren Architekten ging es rein sprachlich wohl auch nicht um eine „Plattenbausiedlung“. Vielmehr war damals der Begriff „industrielles Bauen“ als eine moderne Technologie freilich positiv besetzt und immer wieder für die entstehende Stadt verwendet worden.
Die Begriffe „Wohnblock“ für die einzelnen Gebäude, „Wohnkomplex“ für die einzelnen Wohngebiete oder auch die Typenbezeichnungen verwendeten Wohnungsbautypen wie „P2“ waren eher geläufig. Auch die „Wohnstadt“ war ein Begriff der Zeit - natürlich auch positiv besetzt.
Peer Pasternack trägt in seinem Buch „50 Jahre Streitfall Halle-Neustadt“ zur Klärung bei, wie es nach der Wende zur negativen Besetzung des Plattenbaus kam: Zum einen hätten Wissenschaftler nach 1989 die in der DDR neutral verwendeten Begriffe „Neubau“ und „Plattenbau“ auf die „Platte“ reduziert. Und mit diesem Begriff seien gerade westdeutsche Großwohnsiedlungen kritisiert worden. „Mit dem Begriff ’Platte’ wird aber nicht nur ein Begriff unhistorisch verwendet. Bedeutsamer ist, dass damit eine negative Konnotation nachträglich unterstellt wird, die es in der DDR so nicht gegeben hatte“, so der Politologe Pasternack.