Halle-Neustadt Halle-Neustadt: Droht den Hochhaus-Scheiben der Abriss?

Halle (Saale) - Die größten Probleme Neustadts sind jeweils 18 Stockwerke hoch: Vier der fünf Hochhaus-Türme, die das Zentrum von Halles größtem Stadtteil markieren, sind seit mehr als zwei Jahrzehnten unsaniert und unbewohnt.
Keines dieser fünf von A bis E durchbuchstabierten Hochhäuser gehört der Kommune. Genau aus diesem Grund hat die Stadt ihr inzwischen größtes städtebauliches Problem viele Jahre lang ignoriert. Nun aber sollen über eine Sanierungssatzung Fördermittel fließen, vor allem aber steuerliche Abschreibungen möglich werden.
Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hat zudem vorgeschlagen, die Scheibe A zu Halles Sozialrathaus zu machen. Doch auch die anderen drei leerstehenden Türme, sind in vielerlei Hinsicht problematische Immobilien. Das fängt bei den Besitzverhältnissen und Eigentümern an. Aber wem gehören die Scheiben eigentlich?
Scheibe A
Die Hochaus-Scheibe neben dem Neustadt-Zentrum steht im Mittelpunkt des Interesses. Denn das praktisch herrenlose Gebäude ist der Favorit von Oberbürgermeister Wiegand für ein künftiges Sozialrathaus. Bereits im März vergangenen Jahres ist eine Zwangsversteigerung vom Amtsgericht Halle angeordnet worden. Eigentümer von Grundstück und Gebäude ist derzeit die Alster Office A.O. ltd. in Hamburg. Das Unternehmen aber befindet sich seit 2014 in Liquidation. Die Gesellschaft ist aufgelöst, die beiden Gesellschafter sind seit Jahren unauffindbar.
Als größtes Problem dieser Versteigerung könnte sich eine sogenannte Zwangssicherungshypothek in Höhe von 440.000 Euro erweisen. Unter anderem mit dieser Summe ist das Grundstück belastet, es ist die Forderung eines Gläubigers, die im Grundbuch eingetragen ist. Wobei unklar ist, in welcher Höhe die alte Forderung überhaupt noch besteht.
Dies geht aus der Vorlage der Stadtverwaltung für den Planungsausschuss hervor. Mittlerweile ist diese Forderung auch verkauft: Für einen Betrag in unbekannter Höhe an Michael Schmidt. Eine Versteigerung läuft also nur über den Hallenser. Er betreibt das Zwangsversteigerungsverfahren auch. Schmidt engagiert sich bereits andernorts an der Neustädter Passage (siehe Scheibe C).
Scheibe B
Auch dieser Hochhausturm ist ein schwieriges Objekt. Dabei war die Hoffnung groß, als im März 2015 Khaled Khalifa, Geschäftsführer einer Firma aus Lützen (Burgenlandkreis), die Scheibe für 300 100 Euro ersteigerte. „Moderne Wohnungen sollen hier entstehen, möglicherweise altersgerecht“, hatte der gebürtige Syrer damals gesagt, der unter anderem auch in Leipzig und Halle auf dem Immobilienmarkt aktiv ist.
Bereits sieben Monate nach der Versteigerung hatte das Amtsgericht Halle zunächst eine Wiederversteigerung der Scheibe B angeordnet. Offenbar hatte Khalifa den Kaufpreis nicht überwiesen. Erst kurz vor Schluss zahlte er noch. Doch seitdem hat sich in der Scheibe B nichts getan. Stattdessen hat sich Khalifa neuen, problematischen Immobilien zugewandt: Vor Kurzem erwarb er die alte Brauerei in Glaucha, in der im 2015 ein Großbrand gewütet hatte. Auf Anfrage der MZ reagiert er nicht.
Scheibe C
Ende 2015 ist Michael Schmidt, Geschäftsführer der Proversa GmbH aus Halle, einer Firma für die Sanierung und den Vertrieb von Immobilien, erstmals in Erscheinung getreten. Er vertritt die neuen Eigentümer der Scheibe C, Peer Oliver Schmidt und Roland Schubert aus Berlin. Die hatten im Juli die Immobilie gekauft und zwar vom Land Sachsen-Anhalt. Für nur einen Euro hatte sich das Land von der Problem-Immobilie kurzerhand getrennt. Damit erlosche alle Hoffnungen auf eine öffentliche Nutzung. Laut Schmidt sind in der Scheibe C etwa 300 Wohnungen und Gewerbeflächen geplant.
Man rechne mit Kosten von 16 Millionen Euro. Schmidt hatte sich seinerzeit öffentlich über die Stadt Halle beschwert, weil diese den Fördermittelantrag nicht schnell genug bearbeite. Im vergangenen Jahr nun reichte der Finanzausschuss des Stadtrates dann tatsächlich einen Förderantrag in Höhe von 2,1 Millionen Euro an das Land weiter.
In der vergangenen Woche wollte sich Schmidt zu seinem Engagement in Neustadt nicht äußern. Vor einigen Tagen noch hatte er aber via Bild-Zeitung das Land kritisiert, das den Millionen-Antrag nicht schnell genug bearbeite.
Und er drohte, deshalb die Scheibe zurückgeben zu wollen - samt der Million Euro, mit der das Grundstück belastet sei. Im Magdeburger Finanzministerium war man überrascht. Der Förderantrag werde ganz normal bearbeitet, hieß es. „Hier sind keine Gründe bekannt, die ein Rückabwicklungsverlangen des Käufers begründen könnten“, so ein Sprecher.
Beim Verkauf im Sommer 2015 war das Grundstück übrigens schuldenfrei. Übrigens: Nach Auskunft des Berliner Strafgerichts hatte Schmidt im Dezember 2010 wegen Verbindlichkeiten von mehr als 13 Millionen Euro Insolvenz angemeldet.
Warum die Scheibe D der einzige Lichtblick ist und was das größte Problem der Scheiben bleibt.
Scheibe D
Der einzige Lichtblick in der Scheiben-Reihe ist Haus D. In dem zum Bürohaus sanierten Hochhaus, das der Halwo Neustädter Passage gehört, befindet sich als Mieter unter anderem Halles Jobcenter sowie auch andere Büroflächen.
Scheibe E
Noch immer hängt - wie schon seit Jahren - an der Scheibe E ein großes Poster „Zu verkaufen“. Tatsächlich ist der Turm bereits veräußert. Neuer Eigentümer ist die Neustädter Passage 2 Grundbesitzgesellschaft mbH in Gründung, eingetragen im Frühjahr vergangenen Jahres in Berlin.
Deren Geschäftsführerin ist Hermine Groß, Gesellschafter ihr Ehemann Rainer Groß. „Unsererseits ist für die Neustädter Passage 2 studentisches Wohnen geplant“, teilt dieser auf Nachfrage mit. Im Sommer dieses Jahres lagen im Schuldnerverzeichnis „Eintragungen“ gegen die Neustädter Grundbesitzgesellschaft mbH sowie auch andere Firmen vor, in denen Groß Gesellschafter oder Geschäftsführer ist.
Scheiben als Spielplatz von Spekulationen?
Sind die Scheiben zum Spielplatz von Spekulanten geworden? Die Besitzverhältnisse der vier bislang unsanierten Hochhausscheiben dürften indes nur ein Hindernis für deren Rettung sein.
Das größte Problem der Sanierung bleiben die gewaltigen Kosten: Etwa 18 bis 20 Millionen Euro werden für eine Sanierung veranschlagt, auch ein Abriss werde mit 3,7 Millionen Euro zu Buche schlagen, hatte Lars Loebner, Leiter des Fachbereichs Planen im Rathaus, Ende vergangenen Jahres gesagt.
Eine Sanierung für die Nutzung von Wohnungen könnte nach anderer Meinung auch bis zu 30 Millionen Euro kosten. Wirtschaftlich wäre dies kaum zu vermieten. (mz)