Halle Halle: Kneipenmeile leuchtet bei Nacht
Halle (Saale)/MZ. - Leipzig hat sein Barfuß-Gässchen und die Gottsched-Straße, Berlin, zum Beispiel, die Oranienburger. Und Halle? Wer hier nachts was losmachen will, geht in die Kleine Uli. Kneipe an Kneipe, Bar an Bar - jeder findet seinen Stammtisch. Wem es nicht gefällt, der zieht einfach eine Tür weiter.
Brav sitzt Primus zu später Stunde am Tisch im "Potemkin"-Freisitz. Der Kleine ist es gewohnt, sich in großer Runde zu benehmen. Schließlich ist Primus ein echtes Model. Der Pinscher, 30 Zentimeter hoch, hat sogar schon bei Take-That-Sänger Garry Barlow auf dem Schoß gesessen - für ein Foto-Shooting. Primus ist in dieser Nacht mit Noura Leder und Nancy Glor in Halles Kneipenmeile unterwegs - oder besser: die beiden mit ihm.
Leder und Glor sind erfolgreich im internationalen Modelgeschäft, die eine als Fotografin, die andere als Visagistin. Nach einem langen Arbeitstag, in dieser Branche schon mal bis tief in die Nacht, gönnen sich die beiden einen "Gute-Nacht-Drink". "Endlich Feierabend", freut sich Nancy, die sich einen Rotwein gönnt, während Noura bei einem Gimlet entspannt.
Ein paar Tische weiter haben es sich Stefanie und Stefan Bohm gemütlich gemacht. Mit Angela Zinke, einer Freundin, war das Paar im Kino, nun wird noch geredet und ein Cocktail geschlürft. Der ist sozusagen der ideale Begleiter zur nächtlichen Filmbesprechung. "Wenn wir mal in Halle sind, ist die Kleine Uli Pflicht", erklären die Dessauer, die sich in Halles Kneipenmeile "superwohl" fühlen und entsprechend oft ihrer selbst auferlegten "Pflicht" nachkommen. Nur wenn protzende Autofahrer mit tiefer gelegten Karossen quasi zwischen den Stühlen durchjagen, finden das die Drei nicht witzig.
In dieser Nacht gibt's wenig Protzer. Vielmehr wird die Kneipenmeile gegen Mitternacht von einer abenteuerlustigen Truppe heimgesucht, die mit deutsch-englischem Sprachgewirr durch die Kleine Ulrichstraße flaniert. Es sind Mediziner nach einem Kongress, auf der Suche nach etwas Unterhaltung nach anstrengenden Tagen. "Geht doch ins Flower Power, da könnt ihr tanzen bis früh um fünf", so der Ratschlag eines Insiders. Gesagt, getan - die Meute nimmt Kurs auf den 70er-Jahre-Szeneklub am Ende der Straße.
Ganz entspannt geht es am entgegengesetzten Straßenende in jener Bar zu, die den Lieblingsburger von Elvis anbietet - in der Noirs Bar "Haley". Und was ist drin im Burger vom Rock'n'Roll-König? "Salat, Fleisch, Tomate, Gurke, ganz normal. Das Besondere ist die Erdnussbutter - und die Barbecue-Soße", erklärt Barkeeper Philipp Ohmann. Drehbare rote Barhocker, Lampen, Nierentische und die Musikbox gleich am Eingang versprühen 60er-Jahre-Charme, und manchmal drehen DJs auf dem Tresen die Plattenteller mit Ella Fitzgerald und eben Elvis. "Zu uns kommen viele Studenten, aber auch die ältere Generation, die den Rock'n'Roll liebt", weiß Cosima Sophia Hofmann, Studentin und Kellnerin im "Haley", vor dem jetzt die Freisitz-Stühle angekettet werden.
Im "Kaffeeschuppen" ist draußen ebenfalls gegen halb eins Schluss. Drinnen poliert Thomas Fenske Gläser, vor dem kultigen Tresen hocken Gäste. Auch Kerstin Marga Asmus, die dem "Schuppen" seit 20 Jahren die Treue hält, bleibt noch eine Weile. Und damit es Thomas beim Gläserputzen nicht so langweilig wird, steht die Qigong-Liebhaberin für ihn einfach mal Kopf. Mitten in der Nacht.