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Halle Halle: Halles bekannteste Hebamme gibt auf

Von INES KRAUSE 28.03.2011, 17:35

Halle (Saale)/MZ. - In Vancouver wird sie drei Monate intensiv Englisch lernen. Anschließend will sie als Hebamme für die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" in einer Krisenregion arbeiten.

Ihre Reise bedeutet nicht nur eine Zäsur in ihrem eigenen Leben. Mehr noch: Sie ist eine Entscheidung, in deren Ergebnis die 48-Jährige zu einer folgenschweren Einschätzung kommt: "Man will unseren Berufsstand bewusst kaputt machen", sagt Rost-Schnabel, die noch bis zum Wochenende das Geburtshaus "Zehn Monde" in der Reichardtstraße leitet, jedoch für ihre Arbeit in Deutschland keine Zukunft mehr sieht.

Warum? "Bürokratie und Behörden machen uns zunehmend das Leben schwer", sagt die Mutter zweier erwachsener Kinder, "unsere eigentliche Arbeit kommt dabei immer mehr zu kurz." Ein Beispiel: Im Rahmen eines von den Krankenkassen geforderten Qualitätsmanagements müssen sich niedergelassene Hebammen neuerdings verpflichten, die Zufahrtswege zu ihren Praxen stets freizuhalten. Soll heißen: Der Winterdienst fällt in ihre Zuständigkeit, was angesichts schneereicher Winter kaum umzusetzen ist. "Das haben 2010 nicht mal die großen Krankenhäuser geschafft", so Rost-Schnabel, die sich über die Zunahme von artfremden und bürokratischen Arbeiten ärgert. "Die Abrechnung wird immer komplizierter, außerdem kürzen uns die Krankenkassen 70 Prozent der eingereichten Rechnungen." Dabei werden die Einwände immer weniger nachvollziehbar. So habe sie in einem Fall belegen müssen, wie viel Fäden sie nach einer Entbindung für eine Naht benötigt habe.

Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich eine Haftpflichtversicherung, die alle freiberuflichen Hebamme abschließen müssen und deren Beitrag ständig steigt. Als 2008 eine Erhöhung der Zahlungen auf jährlich 1 800 Euro durchgesetzt wurde, hat Constanze Rost-Schnabel gesagt "bei der nächsten Erhöhung schmeiße ich alles hin". 2010 war es soweit: Im Juni stieg der Beitrag auf 3 900 Euro pro Jahr. "Damit werden wir so stark belastet, dass einige Hebammen inzwischen keine Geburtshilfe mehr anbieten, sondern nur noch die so genannte Vor- und Nachsorge, die günstiger versichert wird", erklärt Rost-Schnabel, die sich mit diesem Problem sogar an den Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) gewandt hat. "Das hat nichts gebracht."

Unter Halles Müttern gilt Constanze Rost-Schnabel als Instanz in Sachen Geburtshilfe. Sie war 1990 eine der ersten Freiberuflerinnen, baute in der Folgezeit mehrere Geburtshäuser auf. Rund 2 000 Babys hat sie in den vergangenen 30 Jahren auf die Welt geholfen. Zu vielen Familien ist dabei ein Vertrauensverhältnis entstanden, das inzwischen bis in die zweite Generation reicht. Kinder, denen sie einst ins Leben half und die nun selber Nachwuchs erwarten, wählen Constanze Rost-Schnabel oft als Hebamme. Dass damit nun Schluss sein wird, bedauert die Hallenserin sehr. Denn: "Ich liebe meinen Beruf über alles."